„Machen wir Ostern wieder zu einem Wendepunkt in unserem Leben!“
Josef Marketz im Gespräch mit Anna Maria Bergmann-Müller
Der Bischof spricht über Fortschritte im Kirchenentwicklungsprozess, über notwendige Reformen und über die wichtige Rolle der neuen Frauenkommission.
Seit zwei Jahren läuft in Kärntens Katholischer Kirche ein synodaler Entwicklungsprozess. Wie sind Sie mit den bisherigen Fortschritten zufrieden?
Bischof Josef: Ich sehe hier viele sehr engagierte Menschen, die sich nicht nur Gedanken um die Zukunft der Kirche machen, sondern aktiv an einer Neugestaltung mitwirken wollen, die ein allem übergeordnetes Ziel hat: das Evangelium dem heutigen Menschen zu vermitteln – mit einer Sprache und mit Strukturen, die heute verstanden werden. Wir haben dazu im ersten Schritt eine Grundorientierung erstellt – auf Basis der Rückmeldungen von knapp 5.000 Kärntnerinnen und Kärntnern! Kürzlich konnte nun der Diözesanrat sieben pastorale Ziele verabschieden. Das sind jene Ziele, die grundlegend für die Kirche Kärntens in den kommenden zehn Jahren sein werden. Dass wir jetzt schon so weit sind, freut mich sehr, und – um Ihre Frage zu beantworten – bis jetzt bin ich mit den Fortschritten sehr zufrieden.
Wo werden die Stellschrauben gedreht?
Bischof Josef: Mir ist es wichtig klarzumachen, dass eine synodale Weiterentwicklung ohne Alternativen ist. Wir stehen auf einem Scheideweg: Das betrifft die Anzahl und das Alter unserer Priester. Das betrifft auch die gesellschaftliche Situation bei der Suche nach Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Der Fachkräftemangel ist auch in der Kirche spürbar. Es betrifft aber auch die Anzahl unserer Mitglieder. Die Austrittswellen der vergangenen Jahre führen dazu, dass wir überlegen müssen, was wir noch weiterführen können. Mir ist eine gute, landesweite Seelsorge ein wichtiges Anliegen. Aber es ist klar, dass wir nicht alles eins zu eins so weiterführen können wie bisher. Das betrifft auch Strukturen. Wie sagte schon der Apostel Paulus: Prüft alles und das Gute behaltet.
Wie wird es jetzt konkret weitergehen?
Bischof Josef: Unser Ziel muss es sein, möglichst viele Menschen auf diesem Weg mitzunehmen. Zuerst möchte ich all jene ansprechen, die schon in der Kirche aktiv sind. Denn diese müssen wir informieren und mit ihnen klären, dass dieser Weg in die richtige Richtung führt. Aus diesem Grund finden im Herbst zehn Regionaltreffen statt, zu denen wir haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einladen. Dort sprechen wir über die Ziele, über Maßnahmen, die sich daraus ergeben, und deren Umsetzung. Konkret: Was bedeutet das für meine Pfarrgemeinde? Auf diese Treffen freue ich mich schon sehr, weil sie immer enorm kreativ und innovativ sind.
Frauen und Kirche – das ist ein Thema, das in der Grundorientierung einen großen Platz einnimmt. Ein Punkt daraus lautet: In der Diözese wird eine Frauenkommission eingerichtet. Seit Kurzem ist dieser Punkt umgesetzt. Warum braucht es das, und welche Bedeutung haben Frauen in der Kirche?
Bischof Josef: Eine spannende Frage – gerade zu Ostern! Eine Frau stand bis zuletzt unter dem Kreuz. Frauen waren die ersten Zeuginnen der Auferstehung Christi – und die ersten, die diese Botschaft auch verstanden haben. Frauen wie Katharina von Siena prägten die Kirche, und Frauen prägen heute noch ganz wesentlich die Kirche mit. Ich arbeite auf allen Ebenen eng mit Frauen zusammen und schätze ihr fachliches Wissen und vor allem, wie sie dieses umzusetzen verstehen. Daher war es für mich von Anfang an klar, dass wir in Kärnten eine Frauenkommission brauchen. Ich bin sehr froh, dass dort Frauen das Sagen haben, die sehr wohl ihre eigenen Vorstellungen von Kirche haben, aber sich nicht in Utopien verbeißen, sondern dort ansetzen, wo Veränderungen möglich sind.
Wie ist das zu verstehen?
Bischof Josef: Ich verstehe die Forderung nach einer gerechten, gleichwertigen Behandlung von Frauen und Männern in der Kirche, die kein Privileg sein darf, sondern zur Selbstverständlichkeit werden muss. Den Wunsch nach einer Weihe für Frauen sehe ich in der derzeitigen weltkirchlichen Konstellation als Fernziel, auf das aber eine Frauenkommission immer wieder aufmerksam machen wird. Aufmerksames und respektvolles Hören aufeinander, Reflexion der kirchlichen und gesellschaftlichen Prozesse, offene Herzen und Augen für die Not der Menschen sind Haltungen, die der Kommission wichtig sind und die sie in den wichtigsten kirchlichen Gremien einbringen werden. Ich persönlich freue mich auf eine gute und konstruktive Zusammenarbeit mit der Kommission, wie wir sie ja schon mit der Katholischen Frauenbewegung haben. Ich denke, dass dieses Miteinander für die Kirche insgesamt sehr fruchtbringend ist und uns auch im Entwicklungsprozess neue und innovative Sichtweisen öffnet.
Ostern – das ist Leid, Tod und Auferstehung Christi. Können Sie in Zeiten wie diesen noch von Hoffnung sprechen?
Bischof Josef: Ja, natürlich liegt weltweit vieles im Argen! Die ganze Zerrissenheit, Gebrochenheit, Kriege und Katastrophen der Menschen werden sichtbar. Und Gott fordert uns auf hinzuschauen, auch wenn es weh tut. Letztlich geht es ja um menschliche Opfer, um Verzweifelte, Leidende, von denen wir uns bewegen lassen sollen. Überall auf der Welt gibt es irgendwo Karfreitag.
Aber wir sollen nicht blind werden für den Ostersonntag, für neue Anfänge, solidarisches Leben gerade auch in der Kirche. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht übersehen, wie viel Gutes uns umgibt. Aus der Dankbarkeit entsteht Hoffnung auch für ausweglos scheinende Situationen. Da bin ich dankbar etwa für die gute Arbeit der Caritas. Und ich denke an Menschen, die ich als Bischof kennenlerne und die sich intensiv für die Kirche einsetzen. Priester sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mit viel Kraft und Engagement andere Menschen für den Glauben und für die Nächstenliebe begeistern. Es gibt so viel Gutes, das oft gar nicht gesehen wird. Das erste Ostern war ein Wendepunkt in der Geschichte der Menschheit. Machen wir auch Ostern zu einem Wendepunkt, indem wir das viele Gute, das rund um uns geschieht, sehen und dann selbst Gutes tun!
Ostern ist für uns Christen und Christinnen das höchste Fest. Können Sie Ostern überhaupt noch richtig feiern – oder ist es für Sie nur Stress? Wie begehen Sie Ostern?
Bischof Josef: Für einen Priester ist Ostern immer eine arbeitsreiche Zeit. Aber wir haben das Glück, dass unsere Arbeit von einer besonderen Spiritualität und zu Ostern geradezu von einer tiefgehenden Mystik geprägt ist. Ich darf zu Ostern viele große Messen feiern, mit vielen Menschen. Im Dom kommt noch dazu, dass die Dommusik die Hochfeste ganz besonders feierlich gestaltet. Da geht einem das Herz richtig auf. Ganz anders und genauso bewegend ist für mich die Auferstehungsfeier am Sonntagmorgen in meiner kleinen Heimatpfarre, wo ich seit dem Tod meiner Mutter in der Osterzeit traditionell mit der Gemeinde und meiner Familie das Hochfest mit Gottesdienst und einer zünftigen Osterjause ausklingen lasse. So ist Ostern auch für mich der Höhepunkt des Kirchenjahres, mit den wunderbaren überlieferten Liturgien inmitten von gläubigen Christinnen und Christen und einem Gefühl von Heimat in meiner Familie.