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Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Lebensmittel sind die Mitte des Lebens

Erich Stekovics im Gespräch mit Gerald Heschl

Der Theologe Erich Stekovics hat mit seinem Paradeiser-Paradies eine neue Form der Landwirtschaft umgesetzt. Der "Paradeiser Kaiser" im Gespräch über Glaube, Gottvertrauen und gesundes Essen.

Erich Stekovics hat den Gemüseanbau revolutioniert. Der Theologe und Bio-Bauer über seine Leidenschaft, über Hiob und Josua. (© Foto: Stekovics)
Erich Stekovics hat den Gemüseanbau revolutioniert. Der Theologe und Bio-Bauer über seine Leidenschaft, über Hiob und Josua. (© Foto: Stekovics)
Erich Stekovics in seinem Paradeiser-Paradies (© Foto: Stekovics)
Erich Stekovics in seinem Paradeiser-Paradies (© Foto: Stekovics)

Sie haben Theologie studiert, sind nun über Österreich hinaus berühmt für Ihre Paradeiser. Ist das ein verkürzter Weg zum „Paradies“?
Stekovics: Das Wort Paradeiser kommt tatsächlich vom Paradies. Als Kolumbus die Frucht in die Alte Welt brachte, meinte man, sie sei vom Himmel gefallen. Und was die Theologie betrifft: Ich mache meine Landwirtschaft genau so, wie ich heute auch Pastoralassistent wäre. Ich muss mich aber an keinen Normen orientieren.

Sie sind von der Natur abhängig. Hilft da der Glaube?
Stekovics: Sehr. Ohne Glauben hätte ich niemals die Ruhe, diesen Beruf auszuüben. Ich gehöre auch zu den Wenigen in dieser Branche, die nicht jammern. Ich bin Gott für jede Frucht, die wir nach Hause bringen, unendlich dankbar. 2005 etwa hatten wir bei den Paradeisern einen Ernteausfall von 97 Prozent. Vor zwei Jahren hatten wir beim Chili einen Ausfall von 99 Prozent. Trotzdem ist es weitergegangen. Es gibt Dinge, die wichtiger sind. Das habe ich in der Theologie gelernt. Ich sage: Es ist, wie es ist, und es ist gut so.
Sehen Sie sich als Theologe auch noch als Glaubensvermittler?
Stekovics: Die Vermittlung des Glaubens passiert durch Leben. Das sehe ich bei vielen Besuchern, die zu uns kommen. Auch wenn ich nicht von Gott spreche, sagen viele, das sei wie in der Kirche oder bei der Kommunion. 

Sie haben sich in kürzester Zeit einen enormen Ruf erworben ...
Stekovics: Als ich vor 10 Jahren gründete, hat keiner daran geglaubt, dass es funktioniert. Wir hatten aber zum richtigen Zeitpunkt den Segen Gottes. Mein Leitspruch stammt aus dem Buch Josua: „Fürchte dich nicht, ich bin bei dir in all dem, was du vor hast.“ Für mich war entscheidend, die Sache mit viel Freude und Liebe zu starten. So sind wir sehr rasch gewachsen und bekannt geworden. Es klingt jetzt locker, aber ich bin überzeugt, wenn es nicht gelungen wäre, hätte Gott mir damit auch ein Zeichen gesetzt. Mein Lebensglück wäre vom wirtschaftlichen Erfolg nicht abhängig gewesen. Aber natürlich ist alles einfacher, wenn es erfolgreich verläuft.

Welche Theologie steckt hinter Ihrer Arbeit, Ihren Lebensmitteln?
Stekovics: Theologisch gesehen sind Lebensmittel nicht nur Mittel zum Leben, sondern auch die Mitte des Lebens. In vielen Gleichnissen des Alten und Neuen Testamentes und zuletzt beim Mahl Christi spielen Lebensmittel eine zentrale Rolle. Sie sind etwas Göttliches. Wenn man weiß, dass das Brot, das unberührt in Wien am Müll landet, eine Stadt wie Graz ernähren könnte, ist das erschreckend. Ich kann auch nur schwer damit umgehen, dass wir heute Futterpflanzen verwenden, um Energie daraus zu gewinnen. Da fühlt man sich als Theologe schon sehr betroffen. Wenn man die Wertigkeit des Brotes kennt, wenn man weiß, wie viele Menschen keines haben, dann ist unser heutiger Umgang damit schwer zu verstehen.

Das hängt ja auch mit der Massenproduktion und dem Preiskampf zusammen.
Stekovics: Ich möchte ein Lebensmittel machen, das gut und wertvoll ist, das auch seinen Preis hat. Wir sind in einem Hochpreissegment angesiedelt, weil wir es ehrlich herstellen, weil wir alte Sorten verwenden. Bei manch alten Tomaten haben wir einen Ertrag von ein bis zwei Kilogramm. Turbotomaten bringen im Vergleich dazu 150 kg. Natürlich müssen solche Früchte einen ganz anderen Preis haben.

Aber Förderungen sahnen eher die Massenproduzenten ab ...
Stekovics: Ja, die Situation von Kleinbetrieben wird sich dramatisch verschlechtern. Wir entwickeln uns hin zu einer industrialisierten Landwirtschaft. Das ist aber nicht neu. Schon in den vergangenen Jahren hat sich die Wirtschaft durchgesetzt, die Interessen dieser kleinen Betriebe kommen dabei zu kurz. So werden die Kleinbetriebe systematisch umgebracht.

Sie arbeiten ja ganz aktiv gegen diesen Trend zu Industrie-Nahrung. Sie produzieren Lebensmittel, sind Landwirt mit einer ganz besonderen „Erdung“. Was bedeutet die Fastenzeit für Sie?
Stekovics: Was permanent da ist und mich sehr bewegt, ist das Bild: „Aus der Erde bist du genommen, zur Erde kehrst du zurück. Staub zu Staub. Asche zu Asche.“ Wie in kaum einem anderen Beruf erlebe ich das Werden und Vergehen. In diesem Werden und Gehen der Paradeiserpflanze liegt letztlich auch der Spiegel des eigenen Lebens: Ich erlebe ganz deutlich und nahe, dass das Leben vergänglich ist. Ich habe die Hoffnung, dass es in die Hände Gottes kommt und nicht herausfällt. Mir ist auch ganz klar bewusst, dass das Totenhemd keine Taschen hat. Wir werden von all den wirtschaftlichen Erfolgen, die wir hier auf Erden haben, nichts mitnehmen können.

Aber etwas bleibt ...
Stekovics: Ja. Man kann nichts mitnehmen, aber man hofft, dass etwas bleibt. Das Wichtigste ist dabei die Freude. „Evangelium“ bedeutet Frohbotschaft. Der Erfolg meines Lebens und meines Berufes hat sehr viel damit zu tun, dass ich an dem, was ich tue, Freude habe. Bei allen Schmerzen, bei allem Tod und Verlust muss die Freude bleiben. Und Dankbarkeit. Dafür, dass es mich gibt, dass ich einer von denen bin, die Gott in seine Hand geschrieben hat.

Was soll bleiben? Wo sehen Sie sich in 10 Jahren?
Stekovics: Ich hoffe, dass ich diese Freude und dieses Glück weiter in mir trage. Ich bin aber für neue Wege offen. Ich kann mir vorstellen, dass Gott noch etwas anderes als Paradeiser für mich bereit hält.