Kein Friede in Sicht
Christ:innen in Israel
Markus Stephan Bugnyar, Rektor des österreichischen Hospizes in Jerusalem, feierte am 21. und 22. Mai die Maiandachten im Klagenfurter Dom. In einem Gespräch mit dem „Sonntag“ nahm er zur aktuellen Situation im Heiligen Land Stellung.
von Gerald Heschl
Seit dem Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023 herrscht Krieg im Heiligen Land. Auch wenn es immer wieder internationale Friedensbemühungen gibt, besteht für Rektor Markus Stephan Bugnyar wenig Hoffnung, dass sich die Situation bald ändert.
Ein Schlüssel ist aus seiner Sicht die Geiselfrage: „Solange noch Geiseln in der Hand der Hamas sind, wird Israel keiner Friedenslösung zustimmen“, so Bugnyar. Das Dilemma dabei: „Die Geiseln dienen der Hamas als Schutzschild. Daher werden sie nicht freigelassen.“
Hamas muss bekämpft werden
Eine Friedenslösung rückt damit in weite Ferne. Auch wenn der Druck einzelner europäischer Staaten oder der USA steigt, besteht in Israel selbst Einigkeit, dass die islamistischen Terrormilizen militärisch besiegt werden müssen: „Es gibt in Israel schon viele Menschen, die die Politik von Ministerpräsident Netanjahu ablehnen. Manche lehnen auch die Art der Kriegsführung ab. Aber niemand bezweifelt, dass die Hamas bekämpft werden muss.“
Genauso gibt es auch auf palästinensischer Seite nicht wenige, denen die Aktionen der Hamas zu weit gegangen sind. „Die Situation ist komplett aus dem Ruder gelaufen. Außer den Extremisten wollte niemand Krieg“, betont Bugnyar, für den ein Indiz ist, dass „es in den anderen Palästinensergebieten wie dem Westjordanland weitestgehend ruhig geblieben ist“.
Antisemitismus – null Toleranz
Gar kein Verständnis hat der seit 20 Jahren in Jerusalem lebende Geistliche für die antisemitischen Auswüchse in Europa oder den USA: „Natürlich ist nicht jede Kritik an Israel gleich antisemitisch“, so Bugnyar, doch verwenden viele „Sprüche, die direkt dem Nationalsozialismus entlehnt sind“. Gerade Österreich und Deutschland sollten sich angesichts ihrer Vergangenheit mit unüberlegter Kritik an Israel zurückhalten. „Ich war überrascht, wie schnell die Welt vergessen hat, dass der Auslöser des Krieges das Massaker der Hamas war und antijüdische Ressentiments ausgegraben wurden“, wundert sich der Rektor über den raschen Gesinnungswandel.
Zwischen den Fronten
Und wie geht es den Christen und Christinnen in dieser Situation? Die Christ:innen, speziell die Katholiken und Katholikinnen, im Heiligen Land hatten es schon vor dem 7. Oktober 2023 nicht einfach. Aber seit dem Massaker der Hamas hat sich ihre Lage weiter verschärft. Die Christen und Christinnen sitzen sozusagen „zwischen den Stühlen“, und es besteht die Gefahr, dass sie in diesem Konflikt auch zwischen die Fronten geraten.
„In Gaza sind viele umgekommen und noch mehr geflüchtet“, schildert Bugnyar die Lage. Während sich aber die Welt auf die Stadt Gaza und auch auf die Hilfe für den Gaza-Streifen konzentriert, ist die Lage in den anderen Palästinensergebieten auch nicht einfacher. „Speziell im Westjordanland gibt es christliche Gemeinden und Schulen, für die es derzeit sehr schwer ist. Wir hätten zwar Hilfsgüter und sogar Geld, es ist aber kaum möglich, dieses derzeit dorthin zu bringen.“ Besonders dankbar zeigt sich Bugnyar für die enorme Hilfe der Grabesritter, die viele christliche Gemeinden, Schulen und Krankenhäuser unterstützen.
Lage im Hospiz zugespitzt
Im österreichischen Hospiz selbst hat sich die Lage seit dem 7. Oktober ebenfalls zugespitzt. „Wir haben zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel“, bringt es der Rektor auf den Punkt. Das Haus finanziert sich zu einem großen Teil von Pilgern, die ins Heilige Land kommen. Diese bleiben nun fast zur Gänze aus. Daher mussten Mitarbeiter:innen freigestellt werden. Dennoch bemüht sich Rektor Bugnyar mit seinem Team, den Betrieb aufrecht zu erhalten. Ein Höhepunkt in dieser entbehrungsreichen Zeit war sein 20-Jahr-Jubiläum als Rektor. (Der „Sonntag“ berichtete.) Trotz „Bauchweh“, wie er erklärt, habe man sich zu einem Fest entschlossen – und die Rechnung ging auf:
Friedliches Miteinander
„Trotz des Krieges sind wir als Gemeinschaft zusammengekommen. Es kam zu Begegnungen zwischen Israelis und Palästinensern, für viele zum ersten Mal seit Ausbruch des Krieges“, schildert Bugnyar eine zentrale Aufgabe des Hospizes: „Wir sind auch jetzt noch eine Begegnungsstätte, wo ein friedliches Miteinander wenigstens im Kleinen funktioniert.“
Aber eines ist für ihn klar: „Wir werden auch weiterhin diese Brückenfunktion zwischen den Konfliktparteien als Möglichkeit der Verständigung nutzen. Aber den Krieg beenden – das schaffen wir nicht. Dazu braucht es viel mehr.“
Zur Person
Markus Stephan Bugnyar
Der aus dem Burgenland stammende Priester leitet seit 20 Jahren das Österreichische Pilgerhospiz in Jerusalem in der Via Dolorosa. Bugnyár studierte von 1993 bis 1999 an der Universität Wien Katholische Fachtheologie und Selbständige Religionspädagogik. 1996/97 nahm er am Ökumenischen Studienjahr der Abtei Dormitio in Jerusalem teil. Am 29. Juni 2000 wurde er in Eisenstadt zum Priester geweiht, seine Kaplanszeit absolvierte er in Mattersburg, bevor er in Jerusalem weiterstudierte. Am 1. Mai 2004 wurde er zum Rektor des Österreichischen Hospizes zur Heiligen Familie in Jerusalem bestellt. Er hatte zu diesem Zeitpunkt bereits mehrere Semester in Jerusalem Bibelwissenschaften studiert und sich so für diese Aufgabe in biblisch fundierter Pilgerpastoral qualifiziert.
Seit dem Wintersemester 2014 ist Bugnyár Honorarprofessor an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Benedikt XVI. in Heiligenkreuz; zudem Absolvent des Strategischen Führungslehrganges der österreichischen Bundesregierung und der Landesverteidigungsakademie. 2022 erhob der Lateinische Patriarch von Jerusalem, Erzbischof Pierbattista Pizzaballa, ihn zum Ehrenkanoniker der Grabeskirche in Jerusalem.