Organisation

Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

In einer offenen, einladenden Kirche ist Platz für viele Charismen

Josef Marketz im Gespräch mit Anna Maria Bergmann-Müller

Der Kärntner Bischof über den aktuellen Stand im synodalen Kirchenentwicklungsprozess in Kärnten, über seine Vorstellungen von Kirche und ein Blick in das Heilige Jahr 2025

Lieber Herr Bischof! Zu Beginn eines neuen Jahres wollen wir noch kurz einen Blick zurück ins alte werfen: Im Diözesanrat wurden kürzlich nahezu alle Maßnahmen beschlossen, mit denen die sieben pastoralstrategischen Ziele im Rahmen des synodalen Kirchenentwicklungsprozesses umgesetzt werden sollen. Was hat Sie dabei besonders überrascht?
Bischof Marketz: Die eigentliche Überraschung kam aus Rom. Im Rahmen der Weltsynode hat der Papst neue pastorale Perspektiven eröffnet und eine ganz neue Form der Kommunikation eingeführt. Die Methode des „Synodalen Gespräches“. Man hört wertschätzend aufeinander, und das Gehörte fließt dann in die Entscheidungen ein. Wir haben diese Methode schon länger auch im Diözesanrat angewandt, und ich denke, das waren Anstöße für sehr konstruktive Gespräche. Diese haben schließlich in die Entscheidungen gemündet. Wobei ich schon auch sagen möchte, dass die Beschlüsse sehr gut vorbereitet waren. Wir haben schon, bevor der Papst die Synode in Rom einberufen hat, viele Menschen in Kärnten befragt: Welche Kirche wünschen Sie sich?

Und was wünschen sie sich?
Bischof Marketz: Sehr viele Menschen sorgen sich darüber, dass die Jugend das Interesse an der Kirche verliert.

Die Jugend und die Kinder sind die Zukunft der Kirche. Was braucht es für sie?
Bischof Marketz: Das müssen wir die jungen Menschen selbst fragen. Sie wissen am besten Bescheid über ihre Anliegen. Wir müssen sie einladen: Wollt ihr an einer Zukunft der Kirche mitbauen? Auf diese Weise können wir sie für Kirche interessieren.

Soll man dazu verstärkt in ihre Lebensräume gehen?
Bischof Marketz: Ich bin sehr froh über die Aktivitäten unserer „Jungen Kirche“ hier in Kärnten. Dort findet der Austausch mit der Jugend statt, wovon ich mich selbst auch immer wieder überzeugen kann. Zu meinem 70. Geburtstag in diesem Sommer fahre ich mit Jugendlichen nach Rom. Ich freue mich sehr darauf! Im vergangenen Jahr war ich mit ihnen beim Weltjugendtag in Lissabon. Das sind bereichernde Begegnungen, und ich lerne viel über das Leben und Denken junger Menschen.

Der synodale Weg ist ein Prozess. Er geht weiter... Was sind konkret die nächsten Schritte?
Bischof Marketz: Zunächst einmal ist unsere synodale Kirchenentwicklung ein geistlicher Prozess. Bis jetzt ging es viel um Glaubensfragen, Fragen der Verkündigung, der Diakonie und Pastoral. Aber natürlich müssen wir auch die kirchlichen Strukturen betrachten. Es geht darum, welche Form Kirche in Zukunft haben will. Dabei sind wir angewiesen auf die Christinnen und Christen, die in den Pfarren mitdenken und mitmachen. Mir schweben schon Bilder davon vor. Diese möchte ich mit den Leuten besprechen, denn wir werden auf gar keinen Fall irgendein System einfach so über die ganze Diözese stülpen.

Können Sie eines dieser Bilder beschreiben?
Bischof Marketz: Ich denke dabei wie der Pastoraltheologe Paul M. Zulehner: Wir brauchen noch kleinere Gemeinschaften als die Pfarren; Menschen, Jugendliche, die sich in Häusern, in Kapellen, also in kleineren Einheiten treffen. Dazu brauchen wir in größeren Pfarrverbänden und einzelnen Regionen professionelle Mitarbeiter:innen: Priester, Diakone, Laien im pastoralen Dienst, die diese Menschen und Gruppen begleiten und zusammenführen. Der Pfarrer wird dann nicht mehr für alles zuständig sein. Er kann sich ganz auf die Kernaufgaben Eucharistiefeiern, seelsorgliche Begleitung und auf das Spenden der Sakramente konzentrieren. Das ist eine neue Kirche. Der Wunsch ist, dass Priester für diese zentralen Aufgaben mehr Zeit haben. Die Menschen wollen Halt, und die Kirche muss flexibler werden.

Vermehrt werden jetzt Lektor:innen und Akolyth:innen eingesetzt. Wird diese Ausbildung weiter forciert?
Bischof Marketz: Ich freue mich sehr, dass diese neuen Ämter bei uns in der Diözese so gut angenommen werden. Wir sind in Österreich die Ersten, die dies so umsetzen. Hier hat sich Klaus Einspieler sehr verdient gemacht. Er leitet gerade die zweiten Kurse für Akolythen und Lektoren. Heuer, im Heiligen Jahr, werden in Rom eine Kärntnerin und ein Kärntner vom Papst selbst gesendet.

Ohne ehrenamtliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wird es in der Kirche wohl nicht gehen. Wie kann man Menschen motivieren, mitzutun? Wir wissen: Die Zeiten haben sich geändert. Das Interesse am Ehrenamt schwindet.
Bischof Marketz: Wir kommen aus einer sehr priesterzentrierten Kirche. Das ist eine Tatsache und keine Wertung, denn viele unserer Priester leisten wirklich Großartiges. Wir sind aber zutiefst überzeugt davon, dass alle Gläubigen von ihrer Taufe her berufen sind. Sie sind eingeladen, die Kirche zu gestalten. Bei meinen Besuchen in Pfarren im ganzen Land sehe ich, dass es viele gibt, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Das freut mich. Es ist das aber auch eine Frage einer einladenden, offenen Kirche. Laden wir Menschen zur Mitgestaltung ein? Geben wir ihnen den notwendigen Spielraum, ihre Charismen einzubringen? Wenn wir das machen, mache ich mir um das Ehrenamt in der Kirche keine Sorgen.

Oft sind junge Menschen gewillt, in der Pfarre mitzuhelfen, können sich dann aber mit ihren Ideen nicht durchsetzen. Da spielt auch der Generationenkonflikt eine Rolle ...
Bischof Marketz: Wenn ich so etwas höre, macht es mich traurig. Das Besondere am synodalen Weg ist ja, auf die anderen zu hören. Das gilt ganz besonders in Bezug auf die Jugend. Wir müssen jungen Menschen zuhören, sie tun lassen. Wir können nicht über die Zukunft der Jugend bestimmen. Sie müssen mit dieser Welt selbst zurechtkommen, und sie schaffen das auch. Unsere Aufgabe ist es, mit ihnen im Gespräch zu bleiben und ihnen die Möglichkeiten ihrer je eigenen Entfaltung zu geben.

Es heißt immer wieder, dass man das Evangelium in die heutige Zeit übersetzen soll. Was geht heutzutage gar nicht mehr?
Bischof Marketz: Früher war vieles selbstverständlich, wurde nicht so hinterfragt. Es war klar, dass wir jeden Sonntag in die Kirche gegangen sind. Vom Glauben haben wir aus dem Katechismus gehört. Die Kirche hat die Fragen gestellt und gleich selbst die Antworten gegeben. Das geht heute so nicht mehr. Die Form unserer Verkündigung hat sich also massiv geändert, auch wenn die Menschen nach wie vor auf der Suche sind. Da haben wir mit Jesus Christus eine Antwort: Mit seinem Handeln hat er gezeigt, was christliche Haltung ist. Und Paulus sagt uns, dass die Liebe noch wichtiger ist als der Glaube. Wenn du liebst, glaubst du - auch an den anderen Menschen. Daher muss es ein Ziel der Kirche, auch unseres synodalen Entwicklungsprozesses, sein, dass wir einander mehr lieben.

Ein Blick in das neue Jahr: Papst Franziskus hat zu Weihnachten weltweit ein Heiliges Jahr ausgerufen.
Bischof Marketz: Das Motto des Heiligen Jahres lautet: „Pilger der Hoffnung“. Zum einen: Wir haben Hoffnung! Versuchen wir, aus dieser Hoffnung zu leben und die Hoffnung weiterzugeben an jene, die ängstlich und hoffnungslos sind. Das zweite: Als Pilger und Pilgerinnen sind wir auf dem Weg. Jesus war ständig unterwegs. Nicht überall ging es ihm gut. Er ist einfach weitergegangen, mit anderen gemeinsam. Pilgern ist eine ganz besondere Möglichkeit, Gemeinschaft und Glaube zu verbinden. Man sagt ja auch: Beten mit den Füßen.

Was erwartet uns in diesem Jahr?
Bischof Marketz: Die Heiligen Jahre gibt es schon seit dem 14. Jahrhundert. Es geht dabei immer auch um Versöhnung und Vergebung. Deshalb haben wir vor, im Heiligen Jahr 2025 in ausgewählten „Jubiläumskirchen“ zumindest einmal in der Woche Beichtgelegenheit anzubieten. Wir haben im Laufe der Jahre Hunderte Menschen zu Segensleiter:innen ausgebildet. Wir bitten diese, dass sie sich melden. Als Segnende, ob in einer Kirche oder am Berg, sollen sie im Heiligen Jahr den Menschen Segen spenden. Das ist etwas sehr Schönes. Das kann uns guttun.