Im Weblog erschaffe ich mein Leben neu
Franz Supersberger im "Sonntag"-Gespräch
Der Kärntner Autor und Buchhändler Franz Supersberger über Buchhandel, Phänomene der Gegenwart und seinenn Weblog
Sie beschreiben sich selbst als „Buchhändler in Muse“ in Villach. Was ist Ihrer Ansicht nach das Besondere am Buchhandel?
Supersberger: Das Faszinierende am Buchhandel ist der Umgang mit Büchern, mit Fantasie und Sprache. Mich hat der Buchhandel gefesselt: die Bücher, ihre Inhalte. Man darf sagen: Menschen, die Bücher lesen, sind aufgeschlossenere oder offenere Menschen. Der Zugang über Bücher erweitert den eigenen Horizont. Das ist etwas, was der Buchhändler auch durch die entsprechende Beratung vermitteln sollte.
Wie war es, als Sie mit Ihrer Lehre zum Buchhändler begannen und später als selbstständiger Kaufmann in Arnoldstein arbeiteten?
Supersberger: Ich wollte Buchhändler werden, weil ich als Schüler sehr gerne gelesen habe. Vor einer Spittaler Buchhandlung stand vor der Auslagenscheibe ein Plakat mit der Aufschrift „Lehrmädchen wird aufgenommen.“ Dann haben wir gefragt, ob es auch ein Lehrbursche sein darf, und der Chef hat geantwortet, „selbstverständlich“ dürfe ich hier Papier- und Buchhandel erlernen. So habe ich meine Lehrstelle im Buchhandel erhalten. Als in Arnoldstein ein Papiergeschäft verpachtet wurde, ergab sich für mich eine neue Gelegenheit. Ich war vierzig Jahre selbstständig.
Gab es rückblickend so etwas wie die „gute, alte Zeit“? Waren die Menschen damals zufriedener?
Supersberger: Natürlich. Ich habe in Arnoldstein in den siebziger Jahren begonnen. Damals waren die Verkaufsflächen aller Geschäfte noch relativ klein. Es gab in Arnoldstein eine Reihe von verschiedenen Fachgeschäften: Blumen, Maschinen, Textil, Parfümerie, eben Buch und Schuhe … Ich glaube, die Menschen waren eigentlich sehr zufrieden mit dem Angebot in Arnoldstein. In Villach haben sich bereits die Großmärkte angesiedelt, die Einkaufszentren. Die Ansprüche stiegen. Man hat schon gespürt, dass in Arnoldstein ein Kaufkraftabfluss erfolgte. In Arnoldstein hat man versucht, etwas mitzuziehen, um zu überleben. Die gute, alte Zeit? Ich gehöre zu jenen, die sagen: „Gutes bewahren, Neues ausprobieren.“ Man muss nicht jedem neuen Trend nachrennen. Die Neuen Medien verschaffen jedoch auch Vorteile.
Sie sind ja gleich in die Neuen Medien eingestiegen. Nach mehreren Büchern begannen Sie mit Ihrem Blog www.schlagloch.at. Das Weblog ist seit dem Jahr 2003 im Netz und wird von Ihnen laufend aktualisiert. Sie schreiben auf Ihrer Kontakt-Seite: „Im Weblog erschaffe ich mein Leben und meine Welt neu ...“
Supersberger: In meinen etwa zweihundert Notizbüchern schreibe ich meine Beobachtungen auf. Vor ein paar Tagen etwa bin ich bei einer Spielecke gesessen, da befand sich ein Vater mit seinem Handy, daneben seine Tochter mit Zeichenblock und Buntstiften. Das habe ich mir notiert. Daraus kann etwas entstehen. Ich bin ein guter Beobachter. Wenn ich etwas Interessantes sehe, dann mische ich mich in das Gespräch ein, fasse es in meine Texte.
Wie sind Sie überhaupt zum Bloggen gekommen?
Supersberger: Es war eine Initialzündung, die ich gerne mit dem Augenblick vergleiche, als ich zu meiner Lehrstelle in der Buchhandlung kam. Ich habe mir die Grundbegriffe am PC erst mit fünfzig selbst beigebracht. Es nützt nichts, wenn man sich gegen alles verschließt oder irgendwie auf die Pension wartet, meint, dann werde ich viel Zeit zum Schreiben haben. Ich habe mir gedacht: Was kann ich sofort machen? Ich verfasse kurze Beiträge, schreibe Beobachtungen, verlautbare meine Gedanken seien sie philosophisch, religiös oder Naturbeobachtungen, welche ich dann ins Netz hineinstelle.
In Ihrem Buch „Bruchstellen - Sätze vom Tag“ (Verlag BoD-Books on Demand, Norderstedt) erwähnen Sie den „gläsernen Menschen“, wie die Individuen in der Wirtschaft von heute akribisch ausgeforscht werden …
Supersberger: Natürlich besteht diese Bezeichnung „gläserner Mensch“. Jedoch machen wir alle mit. Wir wissen, wie praktisch es ist, dass Telefonnummern im Handy gespeichert werden, dass man eine Kundenkarte hat und Rabatt erhält. Auf der anderen Seite wird man durch das eigene Konsumverhalten durchschaubar. Aber ich denke, dass das Gegenstück vom „gläsernen Menschen“ der „eigenständige Mensch“ ist; jeder entscheidet selbst, wie viel er von seinen Daten oder seinen Gewohnheiten preisgibt. Ich sage immer: „Jede Zeit braucht einen selbstbewussten oder selbstentscheidenden Menschen.“ Es bedarf jedoch einer Medienerziehung. Der Mensch wird sonst einfach überfordert.
Sie charakterisieren auch die Buchhandlung der 68er-Generation, als eine Aufbruchsstimmung herrschte, als Dorfkinos beliebt waren. Was ist davon geblieben?
Supersberger: An der Alpen-Adria-Universität, wo ich als Senior ein Studium absolvierte, werden die Senioren nicht isoliert, sondern sie nehmen an den Lehrveranstaltungen teil. Eine Mischung aus Jugend, die studiert, und Senioren, die sich Wissen aneignen. Von dieser Erfahrung kann ich sagen: Die Aufbruchsstimmung an den Universitäten war Ende der 60er-Jahre schon größer. Der Drang, etwas zu verändern, war damals auf jeden Fall intensiver.
Haben Sie einen Lieblingsschriftsteller inmitten Ihrer umfangreichen Lektüre?
Supersberger: Die Autoren, die mich in meiner Jugend beeindruckt und beeinflusst haben, tun dies heute nicht in der Weise wie früher. Ich greife gerne auf „alte“ Schriftsteller wie Ignazio Silone oder österreichische Literaten wie Thomas Bernhard, Elfriede Jelinek, Norbert Gstrein und Engelbert Obernosterer zurück. Von den Jungen fasziniert mich Robert Seethaler.
Interview: Christine Weeber
Zur Person:
Franz Supersberger wurde 1951 in Ferndorf geboren. In Spittal an der Drau absolvierte er eine Buchhändler-Lehre und wurde selbstständiger Buchhändler in Arnoldstein. Sein umfangreiches literarisches Schaffen begann 1969 mit dem Text „Die Brille“. Seit 1970 publiziert Supersberger regelmäßig in Literaturzeitschriften und Anthologien. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher wie „Zeitenwandel“ (2009), „Die Beobachtungen“ (2011) oder „Bruchstellen“ (2015). Heute lebt Supersberger in Villach.