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Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Hildegard Burjan - Glaubende und Politikerin

Zur Seligsprechung von Hildegard Burjan im Wiener Stephansdom

Politikerin? Selig? In einer Zeit von Politikverdrossenheit und unseligen Skandalen ist die Seligsprechung von Hildegard Burjan ein Mut machendes Signal. Von Georg Haab

Hildegard Burjan - Politikerin, soziale Erfinderin und Gläubige (© Foto: Kathpress/Rupprecht)
Hildegard Burjan - Politikerin, soziale Erfinderin und Gläubige (© Foto: Kathpress/Rupprecht)
Feierliche Seligsprechung von Hildegard Burjan (© Foto: Kathpress/Rupprecht)
Feierliche Seligsprechung von Hildegard Burjan (© Foto: Kathpress/Rupprecht)

Dabei war sie – 1919 eine der ersten acht Frauen im Parlament – für ihre Zeitgenossen nicht eine Selige, sondern eine Unbequeme. Der eigenen Christlichsozialen Partei war sie unbequem, weil sie die Rechte der Dienstboten vertrat. Den Männern war sie unbequem, weil sie für Frauen „gleichen Lohn für gleiche Arbeit“ forderte. In der höheren Gesellschaftsschicht war sie unbequem, weil sie sich mit dem Leben der unteren Gesellschaftsschicht auseinander setzte. Sie griff zu Mitteln, die sehr modern anmuten. Etwa wenn sie aufrief, jede Frau könne selbst gegen Ausbeutung aktiv werden, „indem sie nur in soliden Geschäften kauft, von denen sie weiß, dass sie ihre Arbeiter anständig bezahlen“.
Hildegard Burjan stammte aus einer jüdischen Familie. Sie erhielt eine sehr gediegene Ausbildung, verzichtete aber auf eine universitäre Laufbahn. Ein Nierenleiden brachte die jungverheiratete Industriellengattin für sieben Monate in ein katholisches Spital; nach etlichen schmerzhaften Operationen gab man sie in der Karwoche auf. Ihre plötzliche Genesung am Ostersonntag, von den Ärzten als Wunder angesehen, und der im Spital erlebte Glaube veränderten ihr Leben. Sie hatte zum Glauben an Gottes Liebe und Barmherzigkeit gefunden. „So etwas wie diese Schwestern kann der natürliche Mensch nicht vollbringen. Ich habe die Wirkung der Gnade erlebt“, sagte sie.
Aus diesem Glauben heraus gestaltete sie fortan ihr Leben. Einerseits teilte sie an der Seite ihres Mannes das Leben der Gesellschaft und nützte die dort geknüpften Kontakte für ihre sozial-caritative Arbeit, andererseits setzte sie sich mit der Situation derer auseinander, die nicht auf die Butterseite des Lebens gefallen waren. Sie gründete 1912 den Verband Christlicher Heimarbeiterinnen, 1918 den Verein Soziale Hilfe, 1924 das erste Mutter-Kind-Heim für ledige Mütter und 1919 den Frauenorden Caritas Socialis, dem sie – obwohl verheiratet und Mutter – vorstand.
Um nicht nur die Symptome, sondern die Wurzeln der Missstände zu bekämpfen, die ungerechten Strukturen, engagierte sie sich in der Politik. Über ihre Zeit als Abgeordnete hinaus beeinflusste sie die Politik, so als Beraterin des späteren Bundeskanzlers Ignaz Seipel.
Die neue Selige, Vorbild und Fürsprecherin, stellt Sachpolitik über Clubzwang. „Wir Frauen wollen nicht unsere beste Kraft verbitternden, fruchtlosen Parteikämpfen opfern. Je fester ein Mensch von seiner Weltanschauung überzeugt und durchdrungen ist, desto ruhiger erträgt er andere Meinungen, desto mehr sucht er überall das Versöhnende, Verbindende heraus.“
Auch ihr politisches Credo ist heute aktuell wie damals: „Wir brauchen den Geist des Friedens und der Versöhnung in sachlicher, uneigennütziger Arbeit.“
Festtag der seligen Hildegard Burjan ist der 12. Juni.