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Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Herzlichkeit, deren Licht die Welt verändert

Iwan Sokolowsky SJ über das orthodoxe Weihnachtsfest, das am Dreikönigstag gefeiert wird

Welche ansteckende Herzlichkeit vom Weihnachtsfest ausgeht, über das Wesen von Arroganz und die Zeit als Geschenk

Der Wiener Jesuit Iwan Sokolowsky im Sonntag-Gespräch über das orthodoxe Weihnachtsfest (© Foto: Georg Haab / Sonntag)
Der Wiener Jesuit Iwan Sokolowsky im Sonntag-Gespräch über das orthodoxe Weihnachtsfest (© Foto: Georg Haab / Sonntag)
 (© Foto: Sodalitas/Tainach)
(© Foto: Sodalitas/Tainach)

Welchen Zugang haben Sie zum Weihnachtsfest?
Sokolowsky: Von meiner Jugend an bin ich im orientalischen Ritus beheimatet und durfte das auch im Jesuitenorden bewahren. Die Feier des Weihnachtsfestes in der orientalischen Tradition habe ich immer als etwas sehr Herzliches erlebt. Wir betonen etwa in besonderer Weise, was vielleicht im Westen ein wenig in Vergessenheit geraten ist: die Schöpfung als gleichsam in der Nacht geboren. In der Genesis, dem Schöpfungsbericht, heißt es: „Es wurde Abend, und es wurde Morgen“, das heißt: in der Nacht. Aus dem Dunkel heraus kommt das Licht. Man hat im Westen deswegen den 24. als die dunkelste Nacht gewählt, wo dann am 25. Dezember wiederum die Tage langsam heller werden entsprechend dem Johannes-Evangelium: „Das Licht kam in die Welt“, und somit wurde das als der Geburtstag Jesu angesetzt.

Das Licht Jesu, symbolisiert durch Lichter, Kerzen ...
Sokolowsky: Für die Orientalen ist das Licht, das die Nacht erhellt, etwas ganz Besonderes. Alle kommen mit Kerzen und stellen sie in der Kirche auf, weil die Kerze ein besonderes Lichtsymbol ist. Wenn sie ihre schöne Form zu behalten wünscht, bleibt sie dunkel und leuchtet nicht. Wenn sie aber sich selber verzehrt, dann ist sie ein Licht für die anderen. In diesem Licht, das sich verzehrt, um zu leuchten, wird das christliche Leben symbolisiert. Wenn wir das gemeinsam  leben, wenn einer sich einsetzt für den anderen, um als Licht zu leuchten, wird es in der Welt wieder hell.

Bei uns hat man das Gefühl, dass Weihnachten vor allem ein Fest für Kinder ist.
Sokolowsky: Dieses aus der Nacht, aus dem Dunkel ins Licht Treten ist für alle eine große Freude. Wir sind eine Gemeinschaft, wo einer sich freuen kann mit den anderen. Das ist eine gemeinsame herzliche Freude des Glaubens, die das Herz erleuchtet: Das spüren auch schon die Kinder. Im Osten wurde dieses Fest verbunden mit dem, was man im Westen am 6. Jänner als Kommen der Weisen aus dem Morgenland feiert.

Was ist die Botschaft der drei Weisen?
Sokolowsky: Diese Weisen haben eine ganz besondere Eigenschaft: Sie sind frei von Arroganz. Jesus nennt das später in der ersten Seligpreisung: die arm sind im Geist. Nicht, dass sie geistig umnachtet wären, sondern eben nicht arrogant – so dass sie sich freuen können, ein Kind gefunden zu haben, mit dem man keine großartige Konversation führen kann. Wo man nicht beweisen muss, wie intelligent man ist oder wie großartig man eine Karriere aufgebaut hat, sondern wo man nur in einer herzlichen Begegnung mit diesem Kind gemeinsam Freude teilt.

Zum Festgeheimnis des 6. Jänner gehört auch die Taufe Jesu?
Sokolowsky: Ja, deshalb wird auch das Wasser gesegnet, indem man ein Kreuz, ein Metallkreuz gewöhnlich, in einen See oder ein Gewässer wirft und dann dieses Kreuz von jungen Leuten wieder aus dem Wasser herausholen lässt. Dieses Zeichen erinnert an die Taufe Jesu und an die eigene Taufe. Das Wasser, das zur Taufe verwendet wird, ist nicht nur ein Symbol der Reinigung, sondern auch ein Symbol der herzlichen Gastfreundschaft – man kann sich im Wasser frei bewegen, man kann sich im Wasser wohlfühlen. Gastfreundschaft bedeutet bei den Orientalen sehr viel. Daher wird dieses Fest immer auch als ein Nachbarschaftsfest gefeiert, wo einer den anderen einlädt und die gemeinsame Freude herzlich zum Ausdruck bringen kann.

Christen haben an der Menschwerdung Gottes Teil, wenn sie das innere Licht des Weihnachtsfestes weiterschenken.

Weihnachten steht also nicht zufällig am Beginn des Kirchenjahres?
Sokolowsky: Das Jahr, das Kirchenjahr verbreitert gleichsam das Wissen um die einzelnen Geschehnisse, die heilend die Menschen begleiten, und erinnert immer wieder neu an spezielle Einzelheiten, führt natürlich auch hin zum Osterfest. Die Basis ist in Weihnachten gelegt, wo das Licht in die Welt kommt als eine Herzenserleuchtung. Wo Menschen die Freude des Glaubens erleben mit einem kleinen Kind, das zugleich Gott ist, aber nicht ein strafender, gefährlicher Gott, den man fürchten müsste, sondern ein Kind. Es stellt nicht die Frage: „Bist du schön genug für mich, intelligent genug, reich genug?“ Ein Kind, das höchstens erwartet: „Bist du ein netter Mensch? Bist du herzlich, damit ich mit dir lachen kann?“

Sie bieten immer wieder Ikonenkurse an. Ikonen – ein Stück Gegenwart des Himmels?
Sokolowsky: Bei uns gibt es keine Kirche, kein christliches Haus ohne Ikonen. Ikonen sind gleichsam lebensbegleitend, weil sie ein Glaubensbekenntnis von Weihnachten sind, weil nämlich Jesus sagt: „Wer mich sieht, der sieht auch den Vater.“ Wer Jesus versteht und wer ihn schätzt, der sieht in der Art, wie er mit den Menschen umgeht, die Art Gottes. Durch Weihnachten ist der Ewige anschaubar geworden, und das Heilige ist bei uns präsent in den Bildern. Daher werden die Ikonen sehr verehrt. Und wenn sie einmal alt geworden sind und die Farbe abblättert, werden Ikonen, die man nicht mehr verwenden kann, nicht einfach weggeräumt oder weggegeben, sondern sie werden begraben, denn sie sind Träger des Glaubensbekenntnisses, dass Gottes Erbarmen und seine Menschenfreundlichkeit in Jesus und seinen Heiligen sichtbar geworden ist.

In Tainach zum Jahreswechsel halten Sie Besinnungstage: „Nur wer Zeit hat, kann Zeit verschenken“ – ein Gegenprogramm zu unserer schnelllebigen Zeit, die keine Zeit mehr hat?
Sokolowsky: Im Orient versteht man die Zeit als Ganzes als Geschenk. Denn kein Mensch hat sich seine eigene Lebenszeit selber organisiert. Die Gesundheit und alles, was damit zusammenhängt, ist eben nicht etwas von Menschen Gemachtes, sondern ihm Verliehenes. Wenn ich mir bewusst bin, dass ich nicht der Besitzer bin, sondern nur der Verwalter dieser Zeit, die mir als Lebenszeit geschenkt ist, dann bin ich auch bescheiden und dankbar für die viele Zeit, die mir gegeben wird. Dann wünsche ich, dieses Geschenk der Zeit auch zurückzugeben. Sowohl an Gott, indem ich Zeit habe für Gottesdienst und Gebet, als auch an Menschen, die mir Gott anvertraut oder die sich eben auf meinem Lebensweg finden und von denen ich denke, dass sie dadurch Freude und Kraft gewinnen.

Was wünschen Sie unseren Leserinnen und Lesern zu Beginn des Jahres, zum Fest der Erscheinung des Herrn?
Sokolowsky: Dass sie ein Gefühl entwickeln für dieses innere Licht. Wenn ein Mensch über sein Leben nachsinnt und dankbar wird dafür und für die Möglichkeiten, anderen Freude zu bringen: Dann wird das alles zu einem inneren Licht, das gleichsam das Weihnachtsfest unterstützt. Dann ist nicht nur Gott selber Mensch geworden, um diese Herzlichkeit zu zeigen, sondern die Christen haben – wenn sie ihr Leben in Dankbarkeit schauen – daran Teil durch dieses innere Licht, das sie weiterschenken.

 

 

 

Zur Person:

Iwan Sokolowsky SJ ist griechisch-katholischer Christ, Jesuit und Ostkirchenexperte. Im Bildungshaus Sodalitas in Tainach/Tinje hält er regelmäßig Einkehrtage und Kurse zum Ikonenschreiben.