Heftiger Diskurs um künstliche Befruchtung
Stellungnahme der Bioethikkommission ist umstritten
Experten sprechen sich gegen Voruntersuchung an Embryos aus.


Mit dem Ruf nach einer „niveauvollen öffentlichen Debatte“ hat der Wiener Moraltheologie Matthias Beck gegenüber Kathpress auf Defizite in der medialen Berichterstattung über die Stellungnahme der Ethikkommission zur Präimplantationsdiagnostik (PID) aufmerksam gemacht. Das sperrige Wort bezeichnet die umstrittene Untersuchung der künstlich gezeugten Embryonen vor der Einpflanzung.
Tatsächlich sind die Fragen rund um künstliche Befruchtung (In-vitro-Fertilisation, IVF) so komplex, dass viele sich gerne mit Vereinfachungen zufrieden geben und Entscheidungen von Fachgremien unhinterfragt zur Kenntnis nehmen. Sind schon allein, wie jüngst, die Stellungnahmen der Bioethikkommission an sich sehr differenziert, so gibt es neben dem medial transportierten Mehrheitsvotum nochmals ein Minderheitenvotum innerhalb der immerhin 25-köpfigen Kommission, das nochmals wesentliche Argumente zur Sprache bringt.
Das Leid von Eltern, die Träger von schweren Erbkrankheiten sind, ist groß. Ihr Kinderwunsch steht dem Problem gegenüber, ihrem Kind die Krankheit weiterzugeben. Es ist wichtig, diesen Menschen zur Seite zu stehen und dazu alle Möglichkeiten moderner Medizin zu nutzen. Gleichwohl ist es notwendig, auch die anderen Aspekte von IVF und PID im Auge zu behalten, um sich eine verantwortungsbewusste Meinung zum Thema zu bilden.
Was geschieht bei der IVF?
Werden Frauen auf dem Weg der künstlichen Befruchtung Embryonen eingepflanzt, so ist es in Österreich verboten, diese vorher auf mögliche Krankheiten zu untersuchen und zu selektieren. Auf jeden Fall wird eine Überzahl an Embryonen produziert, von denen mehrere in die Gebärmutter eingesetzt werden (mit dem Risiko einer Mehrlingsgeburt). Die übrigen werden eingefroren, vernichtet oder (in Österreich verboten) zu Forschungszwecken verwendet.
Handelt es sich bei diesen Embryonen um menschliches Leben, wie es Lehre der Kirche ist? Dann gebühren jedem von ihnen Menschenwürde und Menschenrechte. Schwangerschaften mit nicht lebensfähigen Embryonen sind ein Sonderfall, für den besondere Regeln gelten (s. unten, Matthias Beck).
Klein ist aber der Schritt von „nicht lebensfähig“ zu „nicht lebenswert“: Wie ist z. B. das Down-Syndrom zu bewerten? Menschen mit Down-Syndrom leben sehr gerne; in der Schwangerschaft werden jedoch 90 Prozent abgetrieben.PID führt kaum zu Therapiemöglichkeiten, sondern fast ausschließlich zur Selektion. Ist es recht, um Leid zu beseitigen, die Träger des Leids zu selektieren? Welche Eigenschaften eines Kindes sind Eltern zumutbar, welche nicht? Aussagen von Medizinern aus Ländern mit anderem gesetzlichen Rahmen schockieren: Dass sie nämlich bei der PID auch das Geschlecht feststellen und bei der Selektion der Embryonen berücksichtigen ...
Zwei Stellungnahmen zum Thema:
Der Wiener Moraltheologe, Arzt und Priester Matthias Beck:
Meinungsbildung ist gefragt!
Matthias Beck, Arzt und Theologe, sieht in den laufenden Beratungen der Bioethikkommission zur – bereits seit 2004 anvisierten – Neufassung des Fortpflanzungsmedizingesetzes keine Chance auf ein einheitliches Votum. Zu weit lägen die Haltungen der Kommissionsmitglieder in der Frage einer Öffnung der künstlichen Befruchtung (IVF) auseinander. Das Themengebiet ist sehr komplex, denn es schließt auch andere schwierige Themen ein: die IVF für alleinstehende Frauen, lesbische Paare, homosexuelle Paare (Leihmutterschaft), die Fremdsamenspende für die IVF und die PID, also die Untersuchung der künstlich gezeugten Embryonen, bevor sie der Mutter eingepflanzt werden. Bei Letzterer kann sich Beck einen Kompromiss vorstellen, der sich an der deutschen Regelung orientiert: Es sei ethisch vertretbar, Embryonen im Rahmen der IVF durch eine PID auf ihre prinzipielle Lebensfähigkeit zu testen, damit der Frau nicht ein toter oder lebensunfähiger Embryo eingepflanzt werde. Auch wenn die katholische Position im Lebensschutz eindeutig sei und eine Selektion von Embryonen prinzipiell ablehne, so könne er sich eine begrenzte Zulassung der Voruntersuchung im Blick auf die Lebensfähigkeit vorstellen. Allerdings besteht hier immer die Gefahr der Ausweitung auf weitere Diagnosen und die Schwierigkeit der Kontrolle, dass wirklich nur auf Lebensfähigkeit getestet wird und nicht auch andere Eigenschaften wie z. B. das Geschlecht zur Selektion herangezogen werden.
Außerdem bestätigt die aktuelle Debatte rückblickend gerade jene Bedenken, die die katholische und die evangelische Kirche vor bereits 30 Jahren gegenüber der IVF formuliert haben: Nämlich dass es zu einer unkontrollierbaren Ausweitung der IVF kommen und dies mit einer „tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderung einhergehen“ werde. Vor genau diesem Problem stehe man, wenn die IVF für homosexuelle und lesbische Paare sowie die Frage der Leihmutterschaft diskutiert werden.
Die Juristin Stephanie Merckens:
Leben darf nicht verzweckt werden!
Das Medienecho zur letzten Stellungnahme der Kommission konzentriere sich auf das Mehrheitsvotum, so, als habe die Kommission grünes Licht für die Ausweitung der IVF gegeben, stellt die Juristin Stephanie Merckens fest. Dabei bestehe die reelle Gefahr einer Verzweckung des Embryos und eines „grundlegenden Paradigmenwechsels in der Elternschaft“. Eine Liberalisierung sei keineswegs der unabänderliche Weg; auch in anderen Ländern gäbe es Zweifel und ethische Bedenken.
Konkreten Reformbedarf sieht Merckens bei der gegenwärtig gängigen Praxis der IVF bei Ehepaaren und heterosexuellen Partnerschaften. Durch den Transfer gleich mehrerer Embryonen in die Gebärmutter komme es zu einer überdurchschnittlichen Rate an Mehrlingsgeburten und zu zahlreichen Komplikationen, die man durch eine Senkung der Transferrate und eine gezieltere Einpflanzung beseitigen könne. Kritisch ist jede Ausweitung der Voruntersuchung (PID): Hier zeigt sich deutlich, dass letztlich alle eingezogenen Begrenzungen nicht auf Dauer halten und es zu einer stetigen Ausweitung der PID kommt. Zu klären ist auch das Schweigen des Staates zum Import von Stammzellen aus dem Ausland zu Forschungszwecken, während ihre Herstellung in Österreich verboten ist.