Den Fluten ausgeliefert
Naturkatastrophe in Kenia
Die anhaltenden Regenfälle in den letzten Wochen haben verheerende Auswirkungen und großen Schaden in Teilen Kenias verursacht. Stark davon betroffen sind auch Projekte der Caritas Kärnten. In Nairobi wurde eine Schule komplett zerstört.
von Anna Maria Bergmann-Müller
In regelmäßigen Abständen schaut Alexandra Blattnig-Rull, Bereichsleiterin der Caritas-Auslandshilfe in Kärnten, wie es den Projektpartner:innen vor Ort in Kenia geht, wie sich die Projekte entwickeln und ob Spendengelder aus Kärnten ordnungsgemäß eingesetzt werden. Besonders am Herzen liegen ihr die Kinder in den Slums von Kariobangi in der Hauptstadt Nairobi. Es sind die Ärmsten der Armen. Ohne Hilfe hätten sie keinerlei Schulbildung, ja nicht einmal ein warmes Essen am Tag.
Schule – ein Ort der Geborgenheit
„Jedes Mal wenn ich die Slums in Nairobi besuche, brauche ich tagelang, um die Bilder des Elends, aber auch den fürchterlichen Gestank wieder aus meinem Kopf zu bekommen“, erzählt sie. Für die Mädchen und Buben, die in den Elendsvierteln aufwachsen müssen, bietet die Schulgemeinschaft „St. Francis“ einen Ort der Geborgenheit. Seit Jahren schon wird sie von der Caritas Kärnten unterstützt, in Kooperation mit „Hands of Care and Hope“ (HCH), einer karitativen Partnerorganisation. Geführt wird die Schule vor Ort von den Franziskanischen Missionsschwestern für Afrika in der Pfarrei Kariobangi in Nairobi/Kenia. Von den Schwestern, allen voran Sr. Pauline werden die Kinder tagtäglich liebevoll versorgt. Das Essen ist einfach. „Meistens gibt es Maisbrei und Bohnen“, weiß Blattnig-Rull.
El Niño hat alles zerstört
Sie kommen gerne zur Schule. Doch jetzt hat das Wetterphänomen „El Niño“ ihnen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Zwei Drittel der Slums wurden überschwemmt. Vollkommen zerstört wurde die Volksschule in Madoya, die aufgrund der Katastrophe abgerissen werden muss. Betroffen davon sind über 300 Kinder. Mit einem Schlag wurde alles vernichtet: Das Hochwasser reichte bis über die Schultafel, zeigt ein Lehrer in einem Video. Alle Schulbücher sind kaputt.
Doch die Schwestern wollen nicht aufgeben. Mittlerweile haben sie ein Grundstück entdeckt, das nicht in der roten Zone liegt. Hier soll die Schule wieder aufgebaut werden. Indes regnet es weiter. Und wer weiß, wie lange noch? Jetzt geht es darum, sofort Nothilfe zu leisten, aber auch langfristig Maßnahmen zu treffen. „Die Menschen vor Ort haben keine Stimme oder aber sie wird nicht gehört“, weiß Blattnig-Rull aus Erfahrung. Deshalb sei die Hilfe der Caritas und anderer Hilfsorganisationen so wichtig. Die Schwestern brauchen Unterstützung in Sachen Bürokratie. Denn: „Sie können keine komplizierten EU-Anträge stellen“, so Blattnig. Rund um die Uhr sind sie beschäftigt – mit dem Alltag, in dem auch ohne Katastrophen Armut, Kriminalität und Perspektivenlosigkeit dominieren.
Hoffnung für die Straßenkinder
Alexandra Blattnig-Rull ist seit 2006 in der Auslandshilfe der Caritas Kärnten. „Peter Quendler war mein beruflicher Ziehvater“, erzählt sie. Die von der Naturkatastrophe so schwer betroffenen Schulen wurden von ihm, gemeinsam mit der Südtiroler Schwester Lydia Pardeller, ins Leben gerufen. Beide sind leider bereits verstorben. In ihrem Sinne sollen die Projekte auch in baldiger Zukunft Hoffnungsschimmer für die sozial so benachteiligten Straßenkinder sein.
Caritas Kärnten – Naturkatastrophe in Kenia
„Diese Ungerechtigkeit tut mir weh!“
Alexandra Blattnig-Rull ist seit 2006 in der Auslandshilfe der Kärntner Caritas tätig. Warum die aktuelle Hochwasserkatastrophe in Kenia so fatal ist und wie man dazu einen Beitrag leisten kann, dass Kinder wieder die Schulbank drücken können.
Liebe Fr. Blattnig-Rull, Sie sind seit fast 20 Jahren in der Auslandshilfe der Caritas Kärnten tätig. In dieser Zeit haben Sie viele Projekte betreut und viel Elend und Leid gesehen. Wie ordnen Sie die aktuelle Naturkatastrophe in Kenia ein?
Blattnig-Rull: Es gibt immer wieder lokale Überschwemmungen, das kennen wir. Aber eine Naturkatastrophe in diesem Ausmaß habe ich in all den Jahren noch nicht gesehen. Es sind ja zwei Drittel der Slums in Nairobi überflutet. Die Leute sind obdachlos. Sie übernachten auf der Straße. Hunderttausende könenn nicht mehr in ihren Hütten leben.
Viele Menschen sagen, das hat es ja in Afrika immer schon gegeben. Immer wieder gab es Dürren und Hungersnöte. Sind diese Wetterextreme mit all ihren verheerenden Folgen nicht auch dem Klimawandel geschuldet?
Blattnig-Rull: Der Unterschied zu früher ist, dass es keine Erholungsphasen zwischen den Unwettern gibt. Auf die Dürren folgen Überschwemmungen. Außerdem hat die Intensität der Wetterextreme zugenommen. Die Menschen sind permanent der Krisensituation ausgesetzt. Diese Entwicklung hat definitiv mit dem dem Klimawandel zu tun.
Wieder einmal hat es die Ärmsten der Armen getroffen. Wie gehen Sie persönlich mit dieser Ungerechtigkeit um? Was macht das mit Ihrem Glauben?
Blattnig-Rull: Oft fühle ich mich hilf- und machtlos, ob der vielen Krisen und Kriege weltweit und dem damit verbundenen Leid, das vor allem die Kleinsten am Stärksten trifft. Diese Ungerechtigkeit macht einerseits wütend, tut weh und lässt oft zweifeln. Letztendlich siegt aber immer die Zuversicht, der Glaube an das Gute und die Hoffnung, auch mit kleinen Gesten viel Gutes bewirken zu können.“
Gibt es also „Hoffnungsschimmer?“
Blattnig-Rull: Wenn ich bei meinen Besuchen vor Ort in strahlende Kinderaugen blicke, wenn die Kinder voller Hingabe ihr einziges warmes Essen in der Schule löffeln, junge Mädchen und Burschen unglaublich stolz ihre soeben gemachten Schulabschlüsse herzeigen, oder ein junger Mann seine neue Hühnerfarm präsentiert, dann sind das genau jene Hoffnungsschimmer, die dazu beitragen, weiterzumachen und die ganzen Ungerechtigkeiten für einen Moment in den Hintergrund treten zu lassen.
Wie kann man helfen?
Blattnig-Rull: Wir haben aufgrund der prekären Situation spontan beschlossen, einen Spendenaufruf zu starten. Leider sind ja die Projekte der Caritas Kärnten sehr betroffen. Eine Schule ist total zerstört. Wir wollen den Schulbetrieb aber nicht aufgeben. Jetzt geht es darum, die Schule an einem sicheren Ort wieder aufzubauen. Es fehlt an allem: Schulsachen, Decken, Trinkwasser, Medikamente, Moskitonetze, Nahrungsmittel etc.
Interview: A. Bergmann-Müller
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Spendenkonto Caritas Kärnten
IBAN: AT40 2070 6000 0000 5587
Kennwort: Naturkatastrophe Kenia
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