Organisation

Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Das „Kärntner Geläut“ lädt zum Gebet ein

Klangraum Glockenturm

Ein Klang, der die Seele berührt. Hoch über den Dächern von Klagenfurt lud Austria Guide und Nachtwächter Horst Ragusch zum besonderen Workshop „Klangraum Glockenturm“ auf den Stadtpfarrturm Klagenfurt-St. Egid ein. Der „Sonntag“ war als Mitveranstalter mit dabei.

von Katja Schöffmann

Die Aufregung und die Spannung steigen. Endlich beim Turmaufgang angekommen, kann es auch schon losgehen. Auf erwartungsvolle Teilnehmer:innen wartet ein einmaliger Ausflug zu den gewaltigen Glocken der Stadtpfarrkirche St. Egid. Der interaktive Rundgang kann beginnen.

„Zurück zu den Wurzeln“

Horst Ragusch, Austria Guide und Nachtwächter von Klagenfurt, stimmt alle Anwesenden auf den bevorstehenden Workshop ein: „Unsere Reise führt zurück zu den Wurzeln unseres Klangraumes. Es ist eine Reise 1.000 Jahre zurück zum sakralen Klang der Glocken. Er ist es, der Menschen früher in alten Zeiten verband.“ Das Wort Glocke kommt aus dem Mittellateinischen clocca bzw. aus dem Altirischen cloc für „Glocke“ oder „Schelle“.

Als Glocken den Alltag regelten

Als Austria Guide weiß Ragusch: „1.000 Jahre lang waren Glocken so bestimmend für unser Leben, wie wir uns das heute gar nicht mehr vorstellen können. Glocken haben viel öfter geläutet. Heute erklingen sie viel kürzer. Eine Ausnahme ist vielleicht Tirol. Glocken haben die Menschen morgens dazu aufgerufen, die Werkzeuge in die Hand zu nehmen. Zu Mittag lud der Glockenklang dazu ein, das Werkzeug aus der Hand zu legen, zur Messe zu gehen, zu beten.“ Wenn die Nachtglocke in einem schärferen Ton erklang, waren keine Rechtsgeschäfte mehr gültig. „Das ist der Klangteppich, der 1.000 Jahre lang unseren Alltag strukturiert hat. Die Menschen hatten einen engen Bezug zur Glocke“, resümiert Ragusch.

Wenn 43 Glocken erklingen

Der erste Programmpunkt führt zum Glockenspiel von St. Egid. „Mit seinen 43 Glocken ist es wahrscheinlich das einzige öffentlich zugängliche Glockenspiel in Österreich“, weiß Ragusch. Orgelklänge begleiten die Besucher:innen auf dem Weg zum Glockenspiel. „Wenn ich mit Schüler:innen hereinkomme, bleibt jedes Kind mit offenem Mund in der Tür stehen“, berichtet der Austria Guide von seinen Führungen für junge Menschen. Er weiß: „Die Stimmung der Glocken muss genau aufeinander abgestimmt sein. Die 18 Glocken wurden im Jahr 2000 auf 43 erweitert. Das Glockenspiel ist derzeit leider außer Betrieb. Die Figuren unter den Glöckchen drehen sich mit dem Glockenspiel mit. „Zu sehen sind Szenen aus dem Leben des heiligen Ägidius, dem Schutzpatron der Kirche St. Egid. Er ist der einzige der 14 Nothelfer, der nicht getötet wurde“, so Ragusch. Er ergänzt: „Ich habe mich einmal hingesetzt und Menschen beobachtet. Ein streitendes Ehepaar, eine diskutierende Mutter oder jemanden, der einsam über den Pfarrplatz geht – die Glocken setzen in drei Oktaven ein und lassen die Seele innehalten“.

Für Kinder ein wahres Abenteuer

Weiter geht es in die Glockenstube, zum „Kärntner Geläut“. Hier hängen fünf große Glocken. Auf alle Besucher:innen wartet ein Klangexperiment, das besonders Kinder in seinen Bann zieht. Ragusch erklärt: „Wir befinden uns hier bei einem der größten Glockenensembles von Kärnten. Das ,Kärntner Geläut‘ hat einen mächtigen Klang.“

Zu bestaunen gibt es folgende Glocken: „Die Heimatglocke wurde 1924 von Glockengießer Max Samassa in Wiener Neustadt gegossen. Sie wurde 1942 nicht eingeschmolzen. Auf der Heimatglocke sind die Namen von 200 gefallenen Abwehrkämpfern verewigt worden“, berichtet der Austria Guide. Die einzelnen Glocken wiegen zwischen 321 und 2.576 kg. Hier befindet sich auch eine der klangtiefsten Glocken von Kärnten. Das Material des sogenannten Glockenhammers trägt dazu bei, wie eine Glocke klingt – metallischer, höher, tiefer. Kinder bekommen die Möglichkeit, die Glocken selbst anzuschlagen. Ein einmaliges Erlebnis für das Ohr und für den ganzen Körper. „Einmal klingt es stärker, dann wieder leiser, klarer, einfach voller“, beschreibt Kathi den Klang.

Außerdem gibt es in der Glockenstube noch die Heldenglocke, die Marienglocke, die Florianiglocke und die kleine Arme-Seelen-Glocke. Diese läutete, wenn jemand verstorben war. Ragusch: „Der Pfarrer ging mit der ,Versehglocke‘, einer Handglocke mit Sterbelicht, zur Sterbebegleitung zum Sterbenden. So wusste ein Ort, dass jemand gerade stirbt. Unsere Vorfahren hatten schon eine Ahnung, wie man einander in Nachbarschaft richtig begleitet. Wir können viel von der Weisheit von früher lernen. Ich persönlich lerne, ganz im Jetzt zu sein, mit Freund:innen aktiv in Kontakt zu sein. Das bedeutet Leben für mich“, erzählt er.

„Der Klang ist sehr beruhigend “

„Glocken sind ein bewegendes Klangelement. Der Klang ist sehr beruhigend. Wir hören sie jeden Tag anders, immer davon abhängig, wie wir uns gerade fühlen“, weiß Ragusch aus eigener Erfahrung. Der Austria Guide studiert Geschichte. Da ist es nicht verwunderlich, dass es in seiner Abschlussarbeit um das Thema Glocken in Kärnten gehen wird.

Nadine besucht den Turm bereits zum zweiten Mal: „Ich war vom Glocken-Workshop begeistert. Als meine Kinder das erste Mal selbst die einzelnen Glocken anschlagen haben dürfen, da waren sie voll motiviert. Es war auch für mich eine einmalige Erfahrung.“

Ins neue Jahr startete Ragusch mit einer neuen beruflichen Herausforderung: „Ich habe mit 1. Jänner 2024 als Türmer gekündigt und mache mich als Austria Guide selbstständig. Ich freue mich schon sehr auf meine neue Aufgabe.“