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Internetredaktion der Diözese Gurk

Verschwörungstheorien und antike Gnosis einander ähnlich

Grazer Religionswissenschaftlerin Heimerl hält Festvortrag zum 85. Geburtstag von Bibelwissenschaftler Woschitz - Bischof Marketz würdigt Jubilar und sein theologisches Ethos

Zwischen frühchristlichen gnostischen Sekten und aktuellen Verschwörungstheorien säkularer Prägung bestehen auffällige Ähnlichkeiten. Darauf hat die Grazer Religionswissenschaftlerin Prof. Theresia Heimerl bei einem Festvortrag am 17. September anlässlich des 85. Geburtstags des emeritierten Bibelwissenschaftlers Prof. Karl Matthäus Woschitz in Tanzenberg hingewiesen. Ausgangspunkt der Ausführungen Heimerls waren Forschungsergebnisse von Woschitz über die Gnosis. Diese antike Denkrichtung gilt als größte Herausforderung der frühen Christenheit und war über Jahrhunderte ein Feld der intellektuellen und theologischen Auseinandersetzung.

Bischof Josef Marketz, Religionswissenschafterin Prof. Heimerl, Jubilar Professor Karl Matthäus Woschitz, Prof. Bechmann
Bischof Josef Marketz, Religionswissenschafterin Prof. Heimerl, Jubilar Professor em. Karl Matthäus Woschitz, Prof. Ulrike Bechmann (Foto: KH Kronawetter/Internetredaktion)

Heimerl ging in ihren Ausführungen ausdrücklich auf aktuelle Verschwörungsmythen rund um die Pandemie oder den Sturm auf das US-Kapitol - Stichwort: QAnon - ein. In ihrer religionslosen Ausprägung gehe es dabei um das Narrativ einer Weltverschwörung in Form einer subtilen Versklavung der Menschheit durch eine machtvolle Elite. Hierin sei er mit gnostischen Sekten der Antike vergleichbar. Filmisch habe dies bereits der Kultfilm "Matrix" auf den Punkt gebracht. Von dort stamme der Kampfruf unzähliger Verschwörungsgläubiger: "Wake up, the matrix has got you. Wach auf, erkenne, wie es um die Welt wirklich bestellt ist, nämlich schlecht, und welche bösen Mächte dich gefangen halten in deiner Unwissenheit."

Dazu die Theologin: "Das gnostische Weltdeutungsmodell nimmt das fundamentale Unbehagen an der Welt und der eigenen Existenz darin ernst. Es setzt nicht beim Intellekt an, wie so viele philosophische Angebote der Spätantike, nicht beim Ritual, wie die Mysterienkulte, nicht bei Liebe und verinnerlichter Ethik wie das Christentum. Die Gnosis und der Manichäismus setzen ganz tief unten an: beim Gefühl. Beim Gefühl des Verloren- und Betrogenseins. Beim Gefühl, von unbekannten Mächten in Unwissenheit gefangen gehalten zu werden. Und bei dem Gefühl, dass einem diese Mächte das vorenthalten, was man eigentlich haben, ja mehr noch, was man eigentlich sein könnte: Ein Königssohn in einem goldglänzenden himmlischen Reich", so Heimerl unter Bezugnahme auf ein Zitat aus dem Perlenlied in den Thomasakten, einem frühchristlichen apokryphen Text, der ob seines gnostischen Inhalts nicht in den biblischen Kanon aufgenommen wurde.

"Die Gnosis des 21. Jahrhunderts ist säkularisiert", konstatierte Heimerl. Dennoch: Die gnostische Weltdeutung in ihren beiden Grundelementen des Dualismus - Dunkel und Licht bzw. Gut und Böse - und der Verschwörung dunkler Mächte übe eine Faszination aus, der sich viele nur schwer entziehen können. "Sie ist heute mindestens ebenso eine Herausforderung wie in den ersten Jahrhunderten des Christentums. Sie ist aber längst nicht mehr nur eine Herausforderung für das Christentum und seine Vertreter."

Bischof Marketz würdigt Jubilar Woschitz

Bischof Josef Marketz hat den Priester und Wissenschaftler beim Festakt mit sehr persönlichen Worten gewürdigt. Woschitz sei als Wissenschaftler stets an die Quellen, also "ad fontes", gegangen und habe versucht, einladend und zugleich umgreifend Themen wissenschaftlich zu bearbeiten. Als Lehrender habe er vor allem "Begleiter und Wegweiser" sein wollen. "Er hat seinen Zuhörern das Denken nie abgenommen, er hat kein fertiges System vorgelegt, sondern er hat die Hörer immer an den Punkt geführt, an dem sie selber ins Denken und ins Gespräch eintreten müssen", so der Kärntner Bischof.

"Gott ist Geheimnis, aber eines, das sich der Liebe erschließen möchte." Gute Theologie habe immer mit Liebe zu tun, sie sei keine kalte Forschung, kein kühles Messen, Abwiegen und Spekulieren, führte der Bischof weiter aus und sagte: "Wer dem Geheimnis Gottes sich nur interesselos und gleichgültig nähern möchte, der entfernt sich ins Absurde und Weglose." Es gebe daher gute Wissenschaft nicht ohne Liebe. "Und der Liebe vertraut Gott sich an und zeigt sich, wer und wie Er ist. Diese Liebe und diesen liebevollen Eifer vernimmt, wer eines der Bücher von Karl Woschitz liest. Und mehr noch, wer ihn hört und noch mehr, wer ihn kennen darf."

Der am 19. September 1937 geborene Karl Matthäus Woschitz wurde 1961 in Klagenfurt zum Priester geweiht und studierte nach Absolvierung des Theologiestudiums in Innsbruck von 1965 bis 1968 in Rom und Jerusalem Bibelwissenschaften. Nach Lehrtätigkeiten an österreichischen und deutschen Universitäten wurde er 1984 auf den Lehrstuhl für Religionswissenschaften an der Katholisch-theologischen Fakultät der Universität Graz berufen. Er stand dem Institut für Religionswissenschaften bis 2005 vor.

Seit 1968 ist Woschitz Rektor der Christkönigskirche, von 1977 bis 1984 wirkte er in Klagenfurt auch als Hochschulseelsorger. In Anerkennung seines Engagements und seiner Verdienste wurde Woschitz 1995 von Papst Johannes Paul II. zum Päpstlichen Ehrenprälat ernannt.

Ein Bericht von: kathpress.at