Psalm 63,2-9: (Nicht nur) ein Morgengebet
Psalm des Monats August
Seit der Antike gilt der Psalm 63 als das Morgengebet der Kirche schlechthin. Einst konnten ihn wohl die meisten Gläubigen auswendig rezitieren. Was aber verleiht diesem Text so große Strahlkraft? – Er ist das Gebet eines gottsuchenden Menschen, der fündig geworden und so zur Ruhe gekommen ist. Seine Seele hat sich an Gottes Güte gesättigt und hängt nun an ihm, weil in seiner Nähe Schutz und Geborgenheit zu finden sind.
DER TEXT
Psalm 63,2-9: Ein Morgengebet
Gott, mein Gott bist du, dich suche ich, *
es dürstet nach dir meine Seele.
Nach dir schmachtet mein Fleisch *
wie dürres, lechzendes Land ohne Wasser.
Darum halte ich Ausschau nach dir im Heiligtum, *
zu sehen deine Macht und Herrlichkeit.
Denn deine Huld ist besser als das Leben. *
Meine Lippen werden dich rühmen.
So preise ich dich in meinem Leben, *
in deinem Namen erhebe ich meine Hände.
Wie an Fett und Mark wird satt meine Seele, *
mein Mund lobt dich mit jubelnden Lippen.
Ich gedenke deiner auf meinem Lager *
und sinne über dich nach, wenn ich wache.
Ja, du wurdest meine Hilfe, *
ich juble im Schatten deiner Flügel.
Meine Seele hängt an dir, *
fest hält mich deine Rechte.
Psalm 63,2-9: Jutranja molitev
O Bog, moj Bog, željno te iščem, *
mojo dušo žeja po tebi;
moje telo koprni po tebi *
kakor suha in izčrpana zemlja po vodi.
Vate sem se zamaknil v svetišču, *
da bi uzrl tvojo moč in tvojo slavo.
Tvoja dobrota je boljša kakor življenje, *
moje ustnice te smejo slaviti.
Zato te bom slavil v svojem življenju, *
v tvojem imenu bom dvigal svoje roke.
Kakor z najboljšimi jedili se bo nasičevala moja duša, *
v veselju te bodo hvalila moja usta.
Spominjal se te bom na svojem ležišču, *
v zgodnjem jutru bom premišljeval o tebi;
kajti ti si mi pomagal, *
v senci tvojih peruti se radujem.
Moja duša se te oklepa, *
podpira me tvoja desnica.
Hier finden Sie den Text des Psalms im Postkartenformat, damit Sie ihn mittels Smartphone immer bei sich haben und wenn Sie möchten auch gemeinsam beten können.
DIE AUSLEGUNG
Hier finden Sie einige Gedanken zum Psalm von Klaus Einspieler, Bibelreferent der Diözese Gurk.
Sehnsucht nach Gott
Ein Leben ohne Gott. – Niemand kann in das Herz seiner Mitmenschen blicken. Dennoch scheint es, dass der Glaube in unseren Breiten unbemerkt, doch stetig verdunstet. Wo sind die Menschen, die mit diesem Psalm über Gott sagen: „Ich gedenke deiner auf meinem Lager und sinne über dich nach, wenn ich wache?“ Ordensleute, Priester und etliche Gläubige sprechen diese Worte jeden Sonntag. Seit alters her ist der Psalm 63 nämlich der Morgenpsalm der Kirche. In manchen Gegenden wurde er in der Antike sogar täglich bei der morgendlichen Versammlung der Gemeinde gesprochen.
Die dürstende Seele
Der Verfasser des Psalms nimmt uns mit auf eine Reise. Sein Leben ist in die Krise geraten. So ist es einst auch dem König David ergangen, der von seinem eigenen Sohn Abschalom aus Jerusalem vertrieben wurde und fern vom Heiligtum der Dinge harrte. Doch ausgerechnet jetzt, wo Gottes Beistand so gut täte, scheint er abwesend zu sein. Gott, du bist doch mein Gott, wo finde ich dich? – so bedrängt ihn der Beter, sich nicht zu entziehen. Offensichtlich ist ihm der Glaube wichtig, immerhin spricht er von seinem Gott. Umso verstörender ist seine Abwesenheit. Dabei braucht er ihn so dringend wie der Körper das erfrischende Wasser. Die Seele ist schon im Begriff, auszutrocknen und zu verdorren. Wie die tiefen Risse im Erdreich, das in der sommerlichen Hitze ohne Regen auskommen muss, klingen ihre stummen Schreie nach Gottes belebender Gegenwart. Der Beter ist zu schmachtendem Fleisch geworden, seine Verletzlichkeit und Endlichkeit drücken ihn zu Boden. Wo wird sich Gott wohl finden lassen? Etwa im Heiligtum? Es ist der Ort, wo er zugesagt hat, seine Nähe zu schenken, seine Macht und Herrlichkeit zu zeigen. Danach hält der Beter Ausschau. Die Erfahrung dieser göttlichen Huld und Liebe ist für ihn sogar ein höheres Gut als das Leben selbst. Denn ein Leben ohne Gottes Zuwendung ist diesen Namen eigentlich gar nicht wert.
Die gesättigte Seele
Wie sich Gott finden ließ, erzählt der Beter nicht. Vermutlich sollte man nach den ersten Worten des Psalms innehalten und Gott Raum geben, im Schweigen zu wirken. Wohl aber wird deutlich, wo sich die Begegnung mit ereignet hat – im Heiligtum, dem Ort seiner Anbetung. In den Lobgesängen, dem Erheben der Hände zum Gebet, dem Opfer, verbunden mit einem fröhlichen Festmahl wird seine Gegenwart erfahrbar. Die dürstende Seele konnte sich sättigen – mit Fett und Mark, einst geschätzten Spendern von Energie und Kraft. Diese Erfahrung prägt und begleitet fortan das Leben des Beters. Der Lobpreis ist der intensivste Ausdruck seiner wiedergewonnen Lebenskraft, die Antwort darauf, dass Gott die verdurstende Seele aufgerichtet und gestärkt hat. Dies will der Beter in seinem Herzen bewahren. Er will keine Probleme wälzen, sondern das Gute in Erinnerung halten, das ihm Gott aus Liebe geschenkt hat.
Die anhängende Seele
Was aber hat diese Wende hervorgebracht? Mit knappem Worten bekennt der Beter: Ja, du wurdest meine Hilfe. Sein Bekenntnis klingt offen, fast blass, angesichts der drastischen Erfahrung des Gottesdurstes zu Beginn. Dadurch eröffnet es jenen, die diesen Psalm nachsprechen, den nötigen Raum, eigene Erfahrungen einzufügen. Nur ein Bild aus der Tierwelt kann ausdrücken, wie innig und tief der Glaube des Beters, den Gott durch die Krise geführt hat, geworden ist. Er schmiegt er sich an ihn wie das junge Küken, das unter den Flügeln der Glucke Schutz sucht. Dort findet er Zuflucht vor den üblen Machenschaften seiner Umwelt, die das Gute verachtet. Seine Seele hängt förmlich an ihm, möchte nicht mehr loslassen. Gott anzuhängen bzw. sich an ihm festzuhalten ist dem Buch Deuteronomium folgend die Berufung Israels. In der Schöpfungsgeschichte wird mit diesem Ausdruck zudem die Liebe zwischen Mann und Frau zum Ausdruck gebracht. Die Zuneigung des Beters findet im Tun Gottes seine Entsprechung. Seine starke Rechte hält ihn fest, um ihn zu schützen und zu stärken. So ist die Seele an ihr Ziel gelangt.
DER VORTRAG AUF VIDEO
Hier finden Sie eine detaillierte Auslegung des Psalms in Gestalt einer Videodatei (Dauer etwa 48 Minuten). Vortragender: Klaus Einspieler.
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DER PSALM ZUM ANHÖREN ODER MITSINGEN
Statt selbst zu beten, können Sie sich den Psalm auch anhören oder ihn mitsingen. Die Aufnahmen entstanden unter der Leitung des diözesanen Kirchenmusikreferenten Christoph Mühlthaler.