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Internetredaktion der Diözese Gurk

Gehet hin und verteidigt die Idee EUROPA!

Schriftsteller Robert Menasse hielt Eröffnungsvortrag „Glaube an Europa“ bei der diesjährigen Internationalen Sommertagung des Katholischen Akademikerverbandes in Tainach/Tinje

Mit Spannung war der Eröffnungsvortrag von Robert Menasse erwartet worden. Und die direkte Ansprache des Auditoriums mit „Brüder und Schwestern!“ deutete gleich darauf hin, dass es eine Predigt werden wird, in der der „Glaube an Europa“ mit Leidenschaft verkündet wird.

Den Nationalismus überwinden

„Proeuropäische Gesinnte“ und „glühende Europäer“ gibt es ja viele. Aber sind diese Selbstbezeichnungen nicht oft nur bloße Phrasen und Lippenbekenntnisse, fragt der Schriftsteller Menasse, um dann klarzustellen, wie seine Idee von Europa aussieht, die dem Ansinnen der Gründungsvater der Europäischen Einigung verpflichtet ist. Nach den Kriegserfahrungen des letzten Jahrhunderts ging und geht es vor allem darum, den Nationalismus zu überwinden, einen nachnationalen Kontinent zu organisieren, „indem wir die Nationen so miteinander verschränken und verflechten, dass keine mehr etwas gegen andere unternehmen kann“, betont Menasse. Die Vielfalt der Sprachen und Kulturen in Europa solle als gemeinsamer Reichtum begriffen werden, meint er.

Widerspruch zwischen europapolitischer Verantwortung und nationalen Interessen

Bei aller Leidenschaft, Menasse ist ein Realist, und er ist sich im Klaren, dass im europäischen Einigungsprozess immer noch (und vielleicht schon wieder) einiges im Argen liegt. Er bringt einschlägige Beispiele, die zeigen, dass europapolitische Verantwortung und nationale Interessen oft im Widerspruch zueinander stehen. Zu den Systemwidersprüchen zählt er zum Beispiel eine gemeinsame Währung ohne gemeinsame europäische Finanzpolitik, oder einen gemeinsamen europäischen Markt mit nationalökonomischer Bilanzierung. Im einem Vergleich der Europapolitik von Angela Merkel und Emmanuel Macron macht er deutlich, wie die Absage an Gemeinschaftspolitik zugunsten eines so genannten Abwägens nationaler Interessen „unproduktive Widersprüche“ stärkt und verfestigt.

Wissen, hoffen und tun

Nach Ausführungen zur gemeinsamen europäischen Sicherheitspolitik kam Menasse am Ende seines Vortrages noch auf die Kantschen Grundfragen zurück: Was können wir wissen? Was dürfen wir hoffen? Was sollen wir tun?
Wir sollen wissen, dass es um ein demokratisches Europa der Europäer gehe, um die Souveränität der Menschen und nicht um die Souveränität der Nationen. Es gehe um wahre Brüderlichkeit und Schwesternschaft. Es gehe um Freiheit bei Gleichheit der Chancen aller Menschen in unserer Union, so Menasse.
Und hoffen dürfen wir weit mehr, als die Nationalisten versprechen, sagt er. Und wenn der Himmel drohe herabzufallen, sollen wir dagegen halten und - wie das Beispiel eines kleinen Spatzen zeigt - unsere kleinen Beine gegen den Himmel strecken. Der Spatz tut eben, was er kann.

Zu guter Letzt erinnerte Robert Menasse das gebannte Auditorium nochmals daran, dass die Gründer des europäischen Einigungsprojektes ein neues Zeitalter versprochen haben. „Für sie war Europa eine Verheißung!“ Und sodann entließ der Schriftsteller seine Zuhörerschaft mit dem (Missions-)Auftrag: „Gehet hin und verteidigt die Idee! Steht auf, wenn ihr Europäer seid! Brüder und Schwestern, steht auf und zeigt, dass ihr Europäer seid! Steht auf!“

Anregende Diskussion im Anschluß & Videoaufzeichnung

Anschließend wurde über diese Predigt noch lange und angeregt diskutiert. Sie können diese Diskussion am Ende des hier dokumentierten Videomitschnittes nachschauen.

Video-Livestream des Menasse-Vortrages inkl. Diskussion:

https://youtu.be/VNXo47lD_Iw?si=yV_Cau44FaxVQCg5

Audio-Mitschnitt des Menasse-Vortrages

Robert Menasse - Glaube an Europa - Vortrag am 19.8.2024 in Tainach/Tinje

Grußworte mit europäischen Bekenntnissen

Die Internationale Sommertagung des Katholischen Akademikerverbandes im Bildungshaus Tainach/Tinje wurde von Rektor Joze Kopeinig eröffnet. Er sprach von der Sehnsucht noch einem friedlichen gemeinsamen Haus Europa, von einem solidarischen Engagement für Demokratie vom Atlantik bis zum Ural. Ordinariatskanzler Dr. Jakob Ibounig sprach in Vertretung von Bischof Dr. Josef Marketz ein Grußwort und sagte, dass Europa „eben nicht nur ein laizistisches Hochfest“ sei, denn es habe subversiv auch christliche Unterströmungen. Im Blick auf die Sterne der Europaflagge erinnerte er an die apokalyptische Frau mit dem Kranz von 12 Sternen.

Auch der Kärntner Landeshauptmann, Dr. Peter Kaiser, plädierte in seinem Grußwort für ein starkes und selbstbewußt auftretendes Europa, denn in einer globalen Welt brauche es sowohl in humaner und auch wirtschaftlicher Hinsicht ein gemeinsames Handeln. Europa sei mehr als nur die EU, betonte Kaiser, und viele (weitere) Staaten, die die gemeinsamen europäischen Werte teilen, könnten sofort beitreten. Mag. Wilfried Hude, der Vorsitzendes des Katholischen Akademikerverbandes, freute sich, dass so viele aus ganz Österreich und darüber hinaus an dieser Europa-Tagung teilnehmen.

Die Internationale Tagung des KAVÖ dauert noch bis 24. August.
Das detaillierte Programm finden Sie unter diesem Link