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Für Papst Franziskus war die Kirche ein Zuhause für alle

Die Predigt von Kardinaldekan Giovanni Battista Re bei der Totenmesse für Papst Franziskus am 26. April auf dem Petersplatz zum Nachlesen

Kardinal Giovanni Battista Re hielt die Predigt beim Requiem für Papst Franziskus am 25. April 2025 - Foto: Screenshot - Vatican-News
Kardinal Giovanni Battista Re hielt die Predigt beim Requiem für Papst Franziskus am 25. April 2025 - Foto: Screenshot - Vatican-News

In seiner Predigt beim Requiem für Papst Franziskus würdigt Kardinaldekan Giovanni Battista Re den verstorbenen Papst als einen Hirten, der bis zuletzt seinem Dienst der Liebe und Hingabe treu blieb. Franziskus' Pontifikat war geprägt von Nähe zu den Menschen, besonderer Fürsorge für Arme, Flüchtlinge und Ausgegrenzte sowie einem klaren missionarischen Geist. Er verstand die Kirche als ein „Haus mit offenen Türen“ und setzte auf Barmherzigkeit, Geschwisterlichkeit und den Schutz der Schöpfung. Mit einfachen Worten und großer Wärme sprach er die Ängste und Hoffnungen der Zeit an und rief zu Frieden, Dialog und Solidarität auf. Besonders betont wird sein unermüdlicher Einsatz gegen die „Wegwerfkultur“ und für eine Kultur der Begegnung. Kardinal Re erinnert abschließend an Franziskus' Bitte, für ihn zu beten, und bittet den verstorbenen Papst nun, selbst für die Kirche und die Menschheit Fürsprache einzulegen.


Wortlaut der Predigt von Kardinaldekan Giovanni Battista Re bei der Totenmesse für Papst Franziskus - dokumentiert von Kathpress.at

Vatikanstadt, 26.04.2025 (KAP) Kathpress dokumentiert die Predigt von Kardinaldekan Giovanni Battista Re beim Requiem für den Papst Franziskus am 26. April 2025 auf dem Petersplatz in der offiziellen deutschsprachigen Übersetzung des Vatikan (Zwischentitel redaktionell eingefügt, Anm.):

Auf diesem majestätischen Petersplatz, auf dem Papst Franziskus viele Male die Eucharistie gefeiert und im Lauf dieser zwölf Jahre vielen großen Versammlungen vorgestanden hat, sind wir nun traurigen Herzens im Gebet um seine sterblichen Überreste versammelt, getragen jedoch von der Gewissheit des Glaubens, dass das menschliche Dasein nicht im Grab endet, sondern im Haus des Vaters, in einem Leben voller Glückseligkeit, das nie vergeht. Im Namen des Kardinalskollegiums danke ich Ihnen allen herzlich für Ihre Anwesenheit. Voller Hochachtung grüße ich die Staats- und Regierungschefs sowie die offiziellen Delegationen aus zahlreichen Ländern, die gekommen sind, um ihre Verbundenheit, ihre Verehrung und ihre Wertschätzung, für den verstorbenen Papst zum Ausdruck zu bringen.

Die überwältigende Zuneigung und Anteilnahme, die wir in den letzten Tagen nach seinem Tod erlebt haben, zeigt uns, wie sehr das ereignisreiche Pontifikat von Papst Franziskus den Geist und die Herzen der Menschen berührt hat.

Das letzte Bild von ihm, das wir weiterhin vor Augen und in unseren Herzen haben werden, ist das vom letzten Sonntag, dem Hochfest der Auferstehung des Herrn, als Papst Franziskus uns trotz seiner schweren gesundheitlichen Probleme vom Balkon des Petersdoms aus den Segen erteilen wollte und sich dann auf den Platz begab, um vom offenen Papamobil aus die vielen Menschen zu begrüßen, die zur Ostermesse versammelt waren.

Wir wollen nun mit unserem Gebet die Seele des geliebten Papstes Gott anvertrauen, auf dass er ihm ewige Glückseligkeit im herrlichen Licht seiner grenzenlosen Liebe gewähre.

Weg der Hingabe bis zum letzten Tag

Wir lassen uns von dem Evangelium erleuchten und leiten, in dem Christus den Ersten der Apostel fragte: "Petrus, liebst du mich mehr als diese?". Und die Antwort des Petrus kam prompt und aufrichtig: "Herr, Du weißt alles; du weißt, dass ich dich liebe!" Und Jesus vertraute ihm die große Aufgabe an: "Weide meine Schafe!". Das wird die beständige Aufgabe des Petrus und seiner Nachfolger sein, ein Dienst der Liebe nach der Art Christi, des Meisters und Herrn, der "nicht gekommen ist, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele" (Mk 10,45).

Ungeachtet seiner Gebrechlichkeit und seines Leidens hat sich Papst Franziskus entschieden, diesen Weg der Hingabe bis zum letzten Tag seines irdischen Lebens zu gehen. Er folgte dem Weg seines Herrn, des guten Hirten, der seine Schafe so sehr liebte, dass er sein Leben für sie gab. Und er tat dies mit Kraft und Gelassenheit, in Nähe zu seiner Herde, der Kirche Gottes, eingedenk des Wortes Jesu, das der Apostel Paulus bezeugt: "Geben ist seliger als nehmen" (Apg, 20,35).

Ein Papst, mitten unter den Menschen

Als Kardinal Bergoglio am 13. März 2013 im Konklave zum Nachfolger von Papst Benedikt XVI. gewählt wurde, hatte er bereits viele Jahre des Ordenslebens in der Gesellschaft Jesu hinter sich und brachte vor allem die Erfahrung seines 21-jährigen pastoralen Dienstes in der Erzdiözese Buenos Aires mit, wo er zunächst als Weihbischof, dann als Koadjutor und schließlich vor allem als Erzbischof wirkte.

Die Entscheidung, den Namen Franziskus anzunehmen, war sofort erkennbar als eine Entscheidung für ein Programm und einen Stil, auf den er sein Pontifikat ausrichten wollte, indem er sich vom Geist des heiligen Franz von Assisi inspirieren ließ.

Er bewahrte sein Temperament und seine Art der pastoralen Amtsführung und prägte mit seiner starken Persönlichkeit schnell den Leitungsstil der Kirche, indem er einen direkten Kontakt mit den einzelnen Menschen und Völkern herstellte und bestrebt war, allen nahe zu sein, wobei er besonders den Menschen in Not seine Aufmerksamkeit widmete und sich unermüdlich vor allem für die Geringsten und Ausgegrenzten einsetzte. Er war ein Papst, der mitten unter den Menschen war und für alle ein offenes Herz hatte. Darüber hinaus war er ein Papst, der achtsam war für das Neue, das in der Gesellschaft aufkam, und für das, was der Heilige Geist in der Kirche weckte.

Ängste, Leiden und Hoffnungen

Mit dem für ihn charakteristischen Vokabular und seiner an Bildern und Metaphern reichen Sprache hat er stets versucht, die Probleme unserer Zeit mit der Weisheit des Evangeliums zu beleuchten, eine Antwort im Lichte des Glaubens zu geben und dazu zu ermutigen, die Herausforderungen und Widersprüche in diesen Jahren des Wandels, die er gern als "Epochenwechsel" bezeichnete, als Christen zu leben.

Er war sehr spontan und hatte eine ungezwungene Art, sich allen zuzuwenden, auch den Menschen, die der Kirche fernstanden.

Mit großer menschlicher Wärme und zutiefst empfindsam für die Dramen unserer Zeit hat Papst Franziskus die Ängste, Leiden und Hoffnungen unserer Zeit der Globalisierung wirklich geteilt.

Hingebungsvoll tröstete und ermutigte er mit einer Botschaft, die die Herzen der Menschen direkt und unmittelbar zu erreichen vermochte.

Mit seinem Charisma der Offenheit und des Zuhörens, verbunden mit einem Stil, der dem heutigen Empfinden entspricht, hat er die Herzen berührt und versucht die moralischen und geistlichen Kräfte neu zu beleben.

Kirche ein Zuhause für alle

Der Vorrang der Evangelisierung war das Leitmotiv seines Pontifikats, indem er mit einer klaren missionarischen Ausrichtung die Freude des Evangeliums vermittelte, wie auch der Titel seines ersten Apostolischen Schreibens Evangelii gaudium lautete. Eine Freude, die das Herz all derer mit Zuversicht und Hoffnung erfüllt, die sich Gott anvertrauen.

Ein Leitmotiv seiner Mission war auch die Überzeugung, dass die Kirche ein Zuhause für alle ist; ein Haus mit stets offenen Türen. Wiederholt hat er für die Kirche das Bild eines "Feldlazaretts" nach einer Schlacht mit vielen Verwundeten gebraucht; einer Kirche, die sich entschlossen um die Probleme der Menschen und die großen Nöte, die die heutige Welt zerreißen, kümmern will; einer Kirche, die sich zu einem jeden Menschen herabbeugen kann, um über alle Glaubensüberzeugungen oder Lebensumstände hinaus seine Wunden zu versorgen.

Für Flüchtlinge und die Armen

Unzählig sind seine Gesten und Ermahnungen zugunsten von Flüchtlingen und Vertriebenen. Und auch in seinem Einsatz für die Armen war er unermüdlich.

Es ist bezeichnend, dass die erste Reise von Papst Franziskus jene nach Lampedusa war, einer Insel, die mit Tausenden im Meer ertrunkenen Menschen zum Symbol für das Drama der Emigration geworden ist. In dieselbe Richtung ging auch die Reise nach Lesbos zusammen mit dem Ökumenischen Patriarchen und dem Erzbischof von Athen sowie die Feier einer Messe an der Grenze zwischen Mexiko und den Vereinigten Staaten anlässlich seiner Mexiko-Reise.

Von seinen 47 anstrengenden Apostolischen Reisen wird insbesondere seine Reise in den Irak in die Geschichte eingehen, die er im Jahr 2021 unter hohen Risiken unternommen hat. Dieser herausfordernde Apostolische Besuch war Balsam für die offenen Wunden der irakischen Bevölkerung, die so sehr unter den unmenschlichen Taten des IS gelitten hatte. Diese Reise war auch für den interreligiösen Dialog von großer Bedeutung, einer weiteren wichtigen Dimension seines pastoralen Wirkens. Mit dem Apostolischen Besuch in vier Ländern Asiens und Ozeaniens im Jahr 2024 erreichte der Papst "die äußerste Peripherie der Welt".

Barmherzigkeit und Freude des Evangeliums

Papst Franziskus hat stets das Evangelium der Barmherzigkeit in den Mittelpunkt gestellt und wiederholt betont, dass Gott nicht müde wird, uns zu vergeben: Er vergibt immer, egal in welcher Situation sich derjenige auch befinden mag, der um Vergebung bittet und auf den rechten Weg zurückkehrt.

Er wollte das außerordentliche Heilige Jahr der Barmherzigkeit und betonte, dass die Barmherzigkeit "das Herz des Evangeliums" ist.

Barmherzigkeit und Freude des Evangeliums sind zwei Schlüsselbegriffe von Papst Franziskus.

Im Gegensatz zu dem, was er als "Wegwerfkultur" bezeichnet hat, sprach er von einer Kultur der Begegnung und der Solidarität. Das Thema der Geschwisterlichkeit hat mit leidenschaftlichen Tönen sein gesamtes Pontifikat durchzogen. In der Enzyklika Fratelli tutti wollte er ein weltweites Streben nach Geschwisterlichkeit neu beleben, weil wir alle Kinder desselben Vaters im Himmel sind. Er hat oft mit Nachdruck daran erinnert, dass wir alle zur selben Menschheitsfamilie gehören.

Stimme für Frieden, Schöpfung, Brüderlichkeit

Während seiner Reise in die Vereinigten Arabischen Emirate im Jahr 2019 hat Papst Franziskus ein Dokument über die "Brüderlichkeit aller Menschen für ein friedliches Zusammenleben in der Welt" unterzeichnet, das daran erinnert, dass Gott der Vater aller ist.

Mit der Enzyklika Laudato si' hat Papst Franziskus sich an die Männer und Frauen in aller Welt gewandt und auf die Pflichten und die gemeinsame Verantwortung für unser gemeinsames Haus hingewiesen. "Niemand kann sich alleine retten".

Angesichts der vielen Kriege, die in diesen Jahren wüten, mit ihren unmenschlichen Gräueln, mit ihren unzähligen Toten und ihrer unermesslichen Zerstörung, hat Papst Franziskus unaufhörlich seine Stimme erhoben, um Frieden zu erbitten und zur Vernunft aufzurufen, zu ehrlichen Verhandlungen, um mögliche Lösungen zu finden, da der Krieg - wie er sagte - bloß den Tod von Menschen, die Zerstörung von Häusern, Krankenhäusern und Schulen bedeutet. Nach dem Krieg geht es der Welt stets schlechter als vorher. Er ist für alle immer eine schmerzhafte und dramatische Niederlage.

"Brücken bauen und keine Mauern"

"Brücken bauen und keine Mauern" ist eine Aufforderung, die er mehrfach wiederholt hat, und als Nachfolger des Apostels Petrus war sein Dienst für den Glauben stets mit dem Dienst für den Menschen in all seinen Dimensionen verbunden.

In geistlicher Verbundenheit mit der ganzen Christenheit sind wir hier zahlreich versammelt, um für Papst Franziskus zu beten, auf dass Gott ihn in seine unendliche Liebe aufnehme.

"Vergesst nicht, für mich zu beten"

Papst Franziskus pflegte seine Ansprachen und Begegnungen mit den Worten zu beenden: "Vergesst nicht, für mich zu beten." Lieber Papst Franziskus, nun bitten wir dich, für uns zu beten und vom Himmel aus die Kirche, Rom und die ganze Welt zu segnen, so wie du es letzten Sonntag vom Balkon dieser Basilika aus getan hast, in einer letzten Umarmung mit dem ganzen Volk Gottes, aber auch im Geiste mit der gesamten Menschheit, die mit aufrichtigem Herzen nach der Wahrheit sucht und die Fackel der Hoffnung hochhält.