Fastenhirtenbrief 2025 von Bischof Josef Marketz
Fastenzeit im Heiligen Jahr: Versöhnung und Segen

Liebe Schwestern und Brüder in Christus!
„Jetzt ist sie da, die Zeit der Gnade“ (2 Kor 6,2). Diese Zusage des Apostels Paulus begleitet uns jedes Jahr ab dem Aschermittwoch durch die österliche Bußzeit. Heuer, im Heiligen Jahr, lenkt sie unsere Aufmerksamkeit vielleicht noch deutlicher auf ihren innersten Kern: „Lasst euch mit Gott versöhnen!“ (2 Kor 5,20). Schon im Alten Testament waren Jubeljahre eine Zeit des Ausgleichs und Neubeginns. Offensichtlich braucht es dafür heilige Zeiten, sei es ein Heiliges Jahr, oder eben jährlich die vierzig Tage vor Ostern.
Das Wesen der Versöhnung
Das Wesen der Versöhnung besteht darin, dass jene, die wir geschädigt haben, bereit sind, die Last dieser Geschichte mitzutragen und so einen Neubeginn zu ermöglichen. Das ist ein großes Geschenk. Es ist zunächst eine Gabe Gottes. Wer sie empfangen hat, aber kann und soll ihm darin ähnlich werden.
Das erste Mal wird dies in der Bibel am Beispiel der Zwillingsbrüder Esau und Jakob verdeutlicht. Sie sind das Gegenbild zu Kain und Abel, deren Geschichte in der Katastrophe endete. Kain war es nicht gelungen, die Dämonen der Missgunst, des Neids und des Hasses zu bannen. Am Ende erschlug er im Zorn seinen Bruder. Im Osterbild der Ostkirche steht Abel neben dem auferstandenen Christus – er ist der erste Mensch, der unschuldig gestorben ist und so das Schicksal vieler Menschen und auch Christi vorweggenommen hat.
Auch bei Jakob und Esau sieht es zunächst danach aus, als würde sich diese Geschichte wiederholen. Jakob, der jüngere Bruder, betrügt Esau um den Segen des Erstgeborenen. Dieser aber bringt ihm nicht den erhofften Vorteil. Er geht durch eine harte Lebensschule weit weg von seiner Familie. Am Ende muss er um den Segen Gottes ringen. Schließlich findet er die Kraft, vor seinen Bruder zu treten und einzugestehen, dass er an ihm schuldig geworden ist. Dieser verzichtet darauf, Rache zu üben, läuft ihm stattdessen sogar entgegen, umarmt ihn und küsst ihn. Am Ende bekennt Jakob, dass er im Angesicht Esaus, der bereit gewesen ist, sich mit ihm zu versöhnen, das Angesicht Gottes geschaut hat. Kann man den Wert dieses Vorgangs noch höher bemessen?
Ich lade Sie, liebe Schwestern und Brüder heuer ganz besonders ein, diese Gelegenheit zu ergreifen und das Sakrament der Versöhnung zu feiern. Gott kommt uns entgegen, er ist es, der uns Versöhnung schenkt und neu beginnen lässt. Daran erinnert uns das Kreuz, das Zeichen des Friedens und der Versöhnung zwischen Himmel und Erde. In diesem Geist wird uns die Kraft geschenkt, aufeinander zuzugehen, zu vergeben und zueinander zu finden. Wagen wir diesen Schritt! Folgen wir der Weisung Jesu, unseren Schuldigern zu vergeben, weil auch uns vergeben worden ist!
Segen füreinander sein
Ein zweiter wichtiger Akzent in diesem Heiligen Jahr ist der Segen. Das lateinische Wort für segnen – benedicere – bedeutet wörtlich übersetzt, gut zu reden. Auch dazu lade ich Sie ein: Sagen wir einander Gutes zu. In einer Welt, in der schlechte Nachrichten das tägliche Geschehen bestimmen, liegt es an uns, das Gute zu sehen und anderen zuzusprechen, sei es durch ein Wort oder eine Geste. Dies gilt besonders im Blick auf jene, bei denen es uns schwerfällt. Setzen wir an die Stelle des Misstrauens das Wohlwollen, eröffnen wir das Gespräch über andere, indem wir zunächst das Gute in ihnen zur Sprache bringen. Als Kirche haben wir in den letzten Jahren neu gelernt, dass jeder und jede Getaufte gerufen ist, in seinem Umfeld zu segnen. Ich lade Sie ein, segnen Sie Ihre Kinder und lassen Sie sich auch von ihnen mit einem Kreuz auf der Stirn bezeichnen. Haben Sie Mut, Ihren Mitmenschen mit den Worten „Gott segne dich!“ Hoffnung zu geben.
Gemeinsam mit den Priestern und Diakonen werden in unserer Diözese seit einigen Jahren auch Laien, Männer und Frauen beauftragt, Segensfeiern zu leiten. Es ist eine Frucht unserer diözesanen Kirchenentwicklung, dass sie nun häufiger als bisher aufgerufen sind, Menschen zu segnen und so zu bestärken. Eine gute Gelegenheit dazu bietet das Heilige Jahr.
Ich lade Sie, liebe Gläubige, ein, das Geschenk der Versöhnung und den göttlichen Segen in einer der Jubiläums- oder Segenskirchen in unserem Land zu erfahren. Ich lade die Pfarren ein, weitere Orte auszuwählen, an denen Menschen der göttliche Segen zugesprochen wird, auch über das Heilige Jahr hinaus. Seien wir wachsam dafür, wo Menschen auf ein gutes Wort hoffen, laden wir sie ein, zu uns zu kommen, um Gottes Güte zu erfahren.
Der Segen Gottes begleite Sie durch diese Zeit des Zugehens auf Ostern.
+ Josef Marketz
Diözesanbischof
Klagenfurt a. W., am 1. Fastensonntag, 9. März 2025