Erzbischof Lackner: “Diözese Gurk befindet sich im Ausnahmezustand”
Pressekonferenz im Salzburger Bischofshaus nach Abschluss der Visitation der Diözese Gurk
Salzburg, 15.03.2019 (KAP) "Ich kann mir nicht vorstellen, dass es zu keinen personellen Konsequenzen kommen wird". Mit diesen Worten bilanzierte der Salzburger Erzbischof und päpstliche Visitator, Erzbischof Franz Lackner, seine Eindrücke nach dem Abschluss der Visitation der Diözese Gurk-Klagenfurt. Er habe während seiner Visitation viel zerrüttetes Vertrauen und Ängste bei Gläubigen und Mitarbeitern in Kärnten gespürt, so dass er von einer "Diözese im Ausnahmezustand - und zwar durch alle Schichten hindurch" sprechen wolle, sagte Lackner bei einer Pressekonferenz am Freitagvormittag in Salzburg. Anlass war der Abschluss der von ihm mit einem Team durchgeführten Apostolischen Visitation der Diözese Gurk-Klagenfurt. Die Visitation hatte offiziell am 14. Jänner begonnen.
Der Bericht, der nun an die Nuntiatur in Wien und von dort an die zuständige römische Bischofskongregation ergeht, umfasst laut Lackner 50 Seiten und gliedert sich in vier Bereiche: Einen pastoralen Teil, einen kirchenrechtlichen Teil, einen wirtschaftlichen Teil sowie einen Überblick über die Medienberichterstattung. Angehängt sei außerdem der von der Kärntner Diözesanleitung erstellte Prüfbericht aus dem Jahr 2018. Dem Bericht liegen intensive Gespräche mit rund 200 Kärntnerinnen und Kärntnern, 145 Gesprächsprotokolle und mehr als 2.600 schriftliche Kontakte zugrunde. Insgesamt umfasst das Material, welches bei der Visitation erstellt und gesammelt wurde, 15 Aktenordner.
Ziel der Visitation sei ein "möglichst vorurteilsfreies" Vorgehen, "ausgerichtet am Kriterium der Objektivität", so Lackner. Der untersuchte Zeitraum erstreckte sich dabei auf den gesamten Zeitraum der Jahre 2008 bis 2018, so der Salzburger Erzbischof. Damit wies er zugleich Vorwürfe zurück, die Visitation habe die Zeit von Alois Schwarz als Kärntner Bischof ausgespart.
Weitere Schritte und auch Entscheidungen bzw. Konsequenzen lägen nun in Rom bzw. bei der zuständigen vatikanischen Kongregation für die Bischöfe, betonte Lackner. Zugleich unterstrich der Erzbischof, dass eine Visitation keine Wirtschaftsprüfung sei, sondern ein umfassender, auch spiritueller Prozess, der auf Heilung und Versöhnung abziele. Das in Kärnten Erlebte empfinde er daher auch als "eine ernsthafte Anfrage an unser Verständnis von Kirche in der heutigen Welt" - es dürfe keine Verkürzungen bei der Bewertung der Situation auf rein wirtschaftliche Fragen geben, sondern das Ziel müsse stets im Blick bleiben, "eine gute Zukunft für die Diözese Gurk-Klagenfurt zu ermöglichen".
Neben Lackner nahm an der Pressekonferenz auch das Visitationsteam teil - darunter der Feldkircher Diözesanbischof Benno Elbs, der steirische Caritasdirektor Herbert Beiglböck, der Geschäftsführer des Grazer Elisabethinen-Spitals, Christian Lagger, der Münchner Kirchenrechtler Helmuth Pree und die Salzburger Ordinariatskanzlerin Elisabeth Kandler-Mayr.
Keine Einsichtnahme durch Gurker Domkapitel
Einhellig zurückgewiesen wurden bei der Pressekonferenz, bei der aufgrund der kirchenrechtlichen Schweigepflicht keine detaillierten Aussagen über den Inhalt des Abschlussberichtes gemacht wurden, Vorwürfe seitens des Klagenfurter Domkapitels, man habe eine Einsichtnahme in den Bericht nur unter "nicht akzeptablen" Bedingungen angeboten und nicht die Zusage einer Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt. Man sei "diesem Versprechen treu geblieben" und den rechtlichen Vorgaben für kirchliche Verfahren entsprechend die Möglichkeit zur Einsicht in Salzburg geboten, erklärte Ordinariatskanzlerin Kandler-Mayr. Auch die Möglichkeit zur Stellungnahme sei geboten worden - diese Stellungnahme wäre dann als Teil des Berichts an die zuständige Bischofskongregation in Rom ergangen, so Christian Lagger. Beides wurde jedoch seitens des Kärntner Domkapitels abgelehnt.
Es sei "keineswegs eine Zumutung", für die Einsicht in den Bericht nach Salzburg zu kommen, so die Ordinariatskanzlerin. Es habe zwei Einladungen gegeben - und in einer zweiten habe man auch von der zeitlichen Einschränkung der Einsichtnahme auf zweieinhalb Stunden Abstand genommen. Untersagt wurden einzig die Erstellung von Fotokopien, so Lackner. Dies entspreche jedoch ganz den üblichen Regeln und sei auch in einem Gespräch mit dem Kärntner Ordinariatskanzler Jakob Ibounig so artikuliert und von diesem verständnisvoll aufgegriffen worden, so der Salzburger Erzbischof.
Eine Veröffentlichung des Berichts nach Abschluss des gesamten Verfahrens sei weiters durchaus denkbar, führte Lackner nach Rückfragen aus. Wobei da noch zu klären wäre, wie es um den Schutz der Persönlichkeitsrechte bzw. um den Datenschutz stehe. Schließlich hätten viele Menschen und diözesane Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich nur so weit geöffnet und "ihr Herz ausgeschüttet", nachdem man ihnen Diskretion und Verschwiegenheit zugesichert habe.
Wie rasch nun aus Rom mit einer Antwort gerechnet werden könne, sei offen - aber er habe in persönlichen Gesprächen immer wieder zum Ausdruck gebracht, dass es sich bei der Causa um "eine Sache mit großer Urgenz" handelt, so Lackner.
Elbs: Kränkungen und Verletzungen halten an
Über seine Eindrücke während der Visitation der Diözese Gurk-Klagenfurt berichtete auch Bischof Benno Elbs, der Teil des Visitations-Teams von Erzbischof Lackner war. Ihm seien viele Menschen begegnet, die "gekränkt" waren, weil sie seitens der Kirche und kirchlicher Verantwortungsträger "Abwertungen" erlebt hätten, führte Elbs aus, der selbst auch ausgebildeter Psychotherapeut ist. Diese Verletzungen und Kränkungen habe es in der Vergangenheit gegeben - und es gebe sie bis heute, so Elbs. Menschen hätten sich in den Gesprächen mit dem Visitations-Team ängstlich und misstrauisch gezeigt und zum Teil erst nach Zusicherung der absoluten Diskretion geöffnet. Der Weg zu einer Versöhnung und Heilung sei daher noch ein weiter, so Elbs bei einer Pressekonferenz am Freitagvormittag in Salzburg.
Aufgabe des Visitationsteams sei es gewesen, "zunächst einmal zuzuhören und alles, was auf den Tisch gelegt wird, wertzuschätzen". Dies sei zugleich die Bedingung aller Versöhnung. Es liege nun an Rom, die Fakten anzusehen und zu bewerten. Aber es brauche in Folge auch eine Benennung von Fehlern und von Schuld und die Übernahme konkreter Verantwortung. Insofern stehe die Kirche in Kärnten "erst am Anfang eines großen Heilungsprozesses". Verloren gegangenes Vertrauen müsse erst mühsam wieder errungen werden - dies gelte für alle Beteiligten gleichermaßen.
Beiglböck: Keine wirtschaftliche Gefahr für Bistum
Ein wesentlicher Teil der Visitation der Diözese Gurk-Klagenfurt betraf das wirtschaftliche Gebaren des bischöflichen Mensalgutes. Hier lauteten die Vorwürfe auf Misswirtschaft und eine unsachgemäße Verwendung der Mittel durch den früheren Kärntner Bischof Alois Schwarz. Eine gewisse Entwarnung gab nun im Rahmen einer Pressekonferenz am Freitagvormittag in Salzburg der langjährige steirische Finanzkammerdirektor und nunmehrige Caritasdirektor Herbert Beiglböck als Teil des Visitationsteams: Es gebe "keine wirtschaftliche Gefährdung des Bistums" und auch keine missbräuchliche Verwendung von Kirchenbeiträgen, "aber die Notwendigkeit, bestehende Ordnungen konsequent umzusetzen". Vor allem sehe man "ein hohes Verbesserungspotenzial für die wirtschaftliche Führung des Bistums", so Beiglböck.
Zugleich habe die Visitation aufgezeigt, dass die kirchliche Vermögensverwaltung insgesamt "weiterentwickelt" werden müsse. Die "belastenden Erfahrungen" aus Kärnten müssten nun ein Anstoß sein, "Maßnahmen für die gesamte Kirche in Österreich zu setzen, die einen transparenten, zeitgemäßen und verantwortungsvollen Umgang mit Vermögen sichern", so Beiglböck.
Gegenstand der Prüfung durch das Visitations-Team sei laut Beiglböck vornehmlich das Bistum gewesen. Für den geprüften Zeitraum der Jahre 2007 bis 2017 weise das Bistum demnach ein ausgeglichenes Ergebnis aus, wie es auch durch einen vom Domkapitel beauftragten Wirtschaftsprüfer für die Jahre 2016 und 2017 bestätigt wurde. Auffällig sei indes ein häufiger Wechsel von Geschäftsführern in diesem gesamten Zeitraum - insbesondere in den letzten vier Jahren -, sowie eine "sehr hohe Personalfluktuation im Unternehmen".
Gespräche u.a. mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Bildungshaus St. Georgen/Längsee hätten ein "schlechtes Betriebsklima", ein "großes Maß an Misstrauen" sowie "Unordnung und fehlende Strategie" als mögliche Ursachen für die Missstände zu Tage gefördert.
Nicht Gegenstand der Visitation waren laut Beiglböck die beiden diözesanen Selbstanzeigen sowie die laufenden staatsanwaltschaftlichen Untersuchungen zum Vorwurf der Untreue.
Causa kirchenrechtlich überregional bedeutsam
Einen Einblick in die kirchenrechtlichen Verwicklungen gab der dem Visitations-Team angehörende Münchner Kirchenhistoriker Prof. Helmuth Pree. Gerade in so verfahrenen Situationen und aufgeheizten Diskussionslagen wie in Kärnten sei es schließlich das Kirchenrecht, welchem die Aufgabe zukomme, die Dinge "sachlich und objektivierend" zu ordnen und so einen "Beitrag zur Versachlichung und Entspannung" zu leisten.
Man habe daher unzählige Dokumente, Protokolle, Erlasse, Dekrete, Regelungen und Rechtsgeschäfte auf ihre kirchenrechtliche Relevanz und Korrektheit geprüft, die insbesondere mit dem bischöflichen Mensalgut in Verbindung stehen. Die Schwierigkeit bestehe bei dieser Prüfung darin, dass im geltenden Kirchenrecht von 1983 ("Codex Iuris Canonici") keine expliziten Regelungen für die Mensalgüter mehr vorhanden sind, die hier zur Anwendung kommen könnten. Die Grenzen zwischen der diözesanen Vermögensverwaltung und dem zulässigen unabhängigen Handeln des Bischofs im Blick auf sein Mensalgut seien daher auch fließend.
"Wir haben uns dieser Frage gestellt und ich wage zu behaupten, dass die Lösungen, die wir in dieser wichtigen Frage für die Diözese gefunden haben, Bedeutung weit über Kärnten hinaus haben wird", so Pree - allerdings ohne weitere Details zu dieser Lösung zu nennen.