Lied des Monats Juli
Herr, dich loben die Geschöpfe - GL 466
Das Lied aus dem Gotteslob Nr. 466 "Herr, dich loben die Geschöpfe" steht unter dem Thema Schöpfung. Der Text geht auf Franz von Assisi und dessen Sonnengesang zurück.
Bruder Peter Fobes
Der Sonnengesang
Cantico delle Creature (Loblied der Geschöpfe)
Der Sonnengesang ist der bekannteste Text des „Troubadours aus Assisi“ und zählt aufgrund seiner dichterischen Gestalt und seines Inhalts zur Weltliteratur. Es entstand in altitalienischer Sprache im Winter 1224/25, als Franziskus krank in einer Hütte bei San Damiano lag.
Nach späteren Quellen fügte Franziskus die Friedensstrophe hinzu, um einen Streit zwischen dem Bischof und dem Bürgermeister von Assisi zu schlichten. Die Strophe über „Schwester Tod“ verfasste er, als er selbst dem Tode nahe war.
Das Gebet ist nicht nur eine Hymne auf Gottes gute Schöpfung, sondern fordert uns auch heraus in unserem Verhalten zur Welt und in der Annahme von Krankheit und Sterben.
Der Sonnengesang
Höchster, allmächtiger, guter Herr,
dein sind das Lob, die Herrlichkeit und Ehre und jeglicher Segen.
Dir allein, Höchster, gebühren sie,
und kein Mensch ist würdig, dich zu nennen.
Gelobt seist du, mein Herr,
mit allen deinen Geschöpfen,
zumal dem Herrn Bruder Sonne,
welcher der Tag ist und durch den du uns leuchtest.
Und schön ist er und strahlend mit großem Glanz:
Von dir, Höchster, ein Sinnbild.
Gelobt seist du, mein Herr,
durch Schwester Mond und die Sterne;
am Himmel hast du sie gebildet,
klar und kostbar und schön.
Gelobt seist du, mein Herr,
durch Bruder Wind und durch Luft und Wolken
und heiteres und jegliches Wetter,
durch das du deinen Geschöpfen Unterhalt gibst.
Gelobt seist du, mein Herr,
durch Schwester Wasser,
gar nützlich ist es und demütig und kostbar und keusch.
Gelobt seist du, mein Herr,
durch Bruder Feuer,
durch das du die Nacht erleuchtest;
und schön ist es und fröhlich und kraftvoll und stark.
Gelobt seist du, mein Herr,
durch unsere Schwester, Mutter Erde,
die uns erhält und lenkt
und vielfältige Früchte hervorbringt
und bunte Blumen und Kräuter.
Gelobt seist du, mein Herr,
durch jene, die verzeihen um deiner Liebe willen
und Krankheit ertragen und Drangsal.
Selig jene, die solches ertragen in Frieden,
denn von dir, Höchster, werden sie gekrönt.
Gelobt seist du, mein Herr,
durch unsere Schwester, den leiblichen Tod;
ihm kann kein Mensch lebend entrinnen.
Wehe jenen, die in tödlicher Sünde sterben.
Selig jene, die er findet in deinem heiligsten Willen,
denn der zweite Tod wird ihnen kein Leid antun.
Lobt und preist meinen Herrn
und dankt ihm und dient ihm mit großer Demut.
Aus: Franziskus-Quellen, Butzon und Bercker 2009
Sprachlicher Hinweis: Im Italienischen unterscheiden sich manche Worte im Geschlecht gegenüber der deutschen Sprache. Einige Ausdrücke wie „Bruder Sonne“, „Schwester Mond“ oder „Schwester Tod“ sind in der Übersetzung auch im Geschlecht übernommen, was befremdlich wirkt, da wir im Deutschen es genau umgekehrt sagen würden. Bei uns ist „die Sonne“ feminin und „der Mond“ und „der Tod“ maskulin.
Entstehungsgeschichte des Sonnengesangs
Im Winter 1224/1225 – zwei Jahre vor seinem Tod – war Franziskus schon sehr geschwächt. Auch litt er an einer Augenkrankheit, durch die er fast völlig erblindet war. Um sich in Ruhe erholen zu können, zog er sich nach San Damiano zurück. Hier bot ihm eine Hütte im Garten Klara und ihren Schwestern Unterkunft. Aber wegen einer Mäuseplage kam er nicht zur Ruhe. Das Leben wurde ihm unerträglich. Doch er betete viel; und im Gebet erhielt er durch eine göttliche Offenbarung die Gewißheit, dass er durch das Ertragen der Krankheit zur ewigen Freude des Himmelreichs gelangen werde. Hierüber freute sich Franziskus so sehr, dass er ein Lied dichtete: den Cantico delle Creature (Loblied der Geschöpfe), im deutschen Sprachraum Sonnengesang genannt.
Franziskus lobt mit diesem Cantico Gott als den Schöpfer, wobei die Schönheit der Natur den geeigneten Inhalt und Rahmen bietet. Er schrieb das Lied in der italienischen Sprache seiner Zeit. So bringt er sich hier ganz persönlich ein. Seine Naturliebe führt ihn zu einem familiären Umgang mit allem, was Gott geschaffen hat. Hieraus erklärt sich, warum Franziskus gerne die Anrede Bruder, Schwester und Mutter verwendet.
Die im 14. Jahrhundert entstandene Textsammlung Speculum Perfectionis (Spiegel der Vollkommenheit) weiß folgende Begebenheit zu berichten: Franziskus habe zunächst nur die Strophen 1 bis 9 gedichtet. Als aber in Assisi ein Streit zwischen dem Bischof und dem Bürgermeister ausbrach, habe er die 10. Strophe (die Versöhnungsverse) verfasst und einige seiner Mitbrüder gebeten, sie den beiden vorzusingen; dadurch sei der Konflikt beigelegt worden. Und die 11. Strophe (Bruder Tod) schließlich habe Franziskus gedichtet, als er spürte, dass er bald sterben werde.