Lied des Monats April
"Du, Gott, hast mir gegeben" T. Klaus Einspieler, M. Christoph Mühlthaler
Du, Gott, hast mir gegeben
den Atem und das Sein;
bewahrst in mir das Leben,
gedenkst für immer mein.
Du rufst ins Nichts die Namen,
aus jedem wird ein Ich;
lässt keimen Hoffnungssamen,
verschenkst in Liebe dich.
Du, Jesus, kennst mein Fragen,
mein Scheitern, meine Not;
kamst, um mein Los zu tragen,
im Leben und im Tod.
Damit er mich nicht blende,
erstrahlt dein Glanz so mild;
dass ich das Leben fände,
geformt nach deinem Bild.
Dieses Lied ist im Jahr 2019 entstanden. Der Text stammt von Klaus Einspieler und wurde von Christoph Mühlthaler vertont. Im Gotteslob wäre es wohl in der Kategorie „Glaube und Vertrauen“ zu finden. In der Eucharistiefeier könnte es zum Beispiel zum Einzug oder als Danklied nach der Kommunion gesungen werden. Aufgrund der Themen Schöpfung, Tod und ewiges Leben könnte man es zudem zum Taufgedächtnis singen. Da diese Motive auch in der Osternacht im Mittelpunkt stehen, eignet sich das Lied zudem für die Osterzeit.
Das Lied versteht sich als Gebet – es spricht Gott in allen vier Strophen konsequent als DU an. Die ersten beiden Strophen richten sich an den Vater, da in ihnen das Thema „Schöpfung“ zur Sprache kommt. Gott wird zunächst als jener angesprochen, der dem Beter das Leben geschenkt hat. Er ist der Ursprung seines Daseins. Dies ist jedoch nicht nur ein Geschehen in der Vergangenheit. Gott hat dem Beter nicht nur das Leben geschenkt, er hält ihn auch im Leben (creatio continua). Dass Gott auf diese Weise seiner Schöpfung, seines Volkes oder Einzelner gedenkt, gehört zur zentralen Botschaft der Heiligen Schrift.
Dieser Gedanke wird in der zweiten Strophe auf alle Mitmenschen übertragen. Woher der Mensch kommt, ist ein großes Geheimnis. Das Lied gibt darauf folgende Antwort. Noch bevor der Mensch ins Dasein trat, war er bereits im Gedächtnis Gottes eingeschrieben (siehe Ps 139,13-18). Der Name steht in diesem Text für die Person und ihre Identität. Beides entspringt der Allmacht und Allwissenheit Gottes. Er hat jeden von uns beim Namen gerufen und zum ICH, zur Person, gemacht. Auch dies ist nicht bloß im Blick auf die Vergangenheit zu sehen. Gott hält uns im Leben, indem er uns immer wieder Hoffnung schenkt, indem wir Tag für Tag aus seinem Wohlwollen und seiner Liebe leben dürfen.
In der dritten und vierten Strophe wird nun Jesus Christus angesprochen. Das Stichwort „Liebe“ hat diesen neuen Akzent schon vorbereitet, heißt es doch im Evangelium nach Johannes, Gott habe die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingegeben hat (Joh 3,16). Der Beter wendet sich an ihn, weil er als Mensch unter Menschen gelebt hat. Er hat das
Schöne aber auch quälende am Menschsein durchlebt – mit allen Fragen, Sorgen, Ängsten, selbst dem Leid und dem schmachvollen Tod. Nichts, was uns Menschen bewegt, ist ihm fremd. Das Leben Jesu wird hier als solidarische Anteilnahme am Los des Menschen dargestellt, die den menschgewordenen Gott bis in den Tod geführt hat. Daher ist alles menschliche Fragen und Leiden bei ihm aufgehoben.
In der letzten Strophe erstrahlt dann zart das Licht des Ostermorgens. Damit schließt sich der Bogen – aus der Schöpfung ist neue Schöpfung geworden. Viele können dieses Licht jedoch nicht gleich erkennen, es strahlt nicht wie ein heller Scheinwerfer. Der Beter sucht nach einer Antwort und erkennt: Dies entspricht dem Wesen der göttlichen Offenbarung. Der in den Himmel erhöhte Sohn Gottes blendet uns nicht mit seinem österlichen Glanz. Er leuchtet jenen, die ihn aufnehmen, freundlich und mild wie eine Kerze, die am Abend entzündet wird, um ihr warmes Licht zu verströmen. Der Mensch, durch Gott, den Vater ins Dasein gerufen (1. Strophe), hat durch seine Art zu leben, die Gottebenbildlichkeit verloren. Durch die Taufe ist der Weg des Sohnes aus dem Dunkel ins Licht in unsere Lebensgeschichte eingeschrieben. Nach seinem Bild gestaltet sind wir wieder in jene Nähe zu Gott gerückt, die uns vom Beginn der Schöpfung zugedacht war.
Klaus Einspieler