Chor im Monat Jänner 2021
Im Gespräch mit Stiftskapellmeister Edward Mauritius Münch
Gerda Heger war zu Gast in St. Paul im Lavanttal bei Stiftskapellmeister Edward Mauritius Münch. Das Stiftsgebäude war Schauplatz für Gespräch über das Chorwesen und Erfahrungsaustausch.
1. Zur Vorbereitung unseres Gespräches habe ich ihre homepage besucht und bin bei ihrem künstlerischen Lebenslauf auf einige renommierte Persönlichkeiten gestoßen. Und auf einen "Lehrer" können wir sogar beide zurückblicken, nämlich Johannes Prinz. Ich allerdings über 20 Jahre vor ihnen. Johannes Prinz war damals das letzte Jahr in Wien an der Universität für Musik und Darstellende Kunst an der Kirchenmusik Professor für Chorleitung, bevor er nach Graz wechselte. Vielleicht können wir hier anknüpfen. Ich habe Johannes Prinz als einfühlsamen Pädagogen, hervorragenden Sänger und großartigen Chorleiter kennengelernt. Wie würden sie ihre Studienzeit in Graz bei Johannes Prinz beschreiben?
Momentan mach ich noch den Master in Chorleitung bei Johannes Prinz, und zusätzlich werde ich noch Cembalo studieren. Auf jeden Fall finde ich das Arbeiten mit Johannes Prinz sehr inspirierend. Ich komme aus einem ganz anderen System, habe in Freiburg studiert, da war der Unterricht teilweise sehr verschult. Und Johannes hat einem offenbart, dass man alle Möglichkeit bezüglich Zugänge zur Musik und dem jeweiligen Stück hat, und daraus eine gewisse Selbständigkeit und ein großer Spiel- und Interpretationsraum resultiert. Mit seiner herzlichen, offenen und direkten Art bietet er ganz viel an. Wir reden im Unterricht vor allem über Interpretation, verschiedene Richtungen und Stile. Guter Austausch und Konversation durch unsere ursprünglich unterschiedlichen Lern- und Studienweisen ist möglich und macht es so spannend. Man fühlt sich wohl und willkommen bei ihm.
2. Wie würden sie sich selber als Chorleiter beschreiben? Was ist ihnen wichtig? Was möchten sie vermitteln?
Was mir wichtig ist und was das Ziel für mich ist, das ist der schöne Klang, die Klangoptimierung; sowohl bei Profis als auch bei Laien - die Stimmtechnik und Intonation. Ich achte sehr auf die Vokalfärbung bzw. Vokalfarben, auf Text und Sprache. Das gesungene Wort kommt von der Sprache. Die Kärntnerlieder lieb ich sehr, und auch da muss es einheitlich in der Farbe sein. Vor allem möchte ich die Freude am Singen und die Lust am schönen Klang vermitteln. Wenn die SängerInnen das merken, dann sind sie motiviert und wollen weiter diesen Weg gehen. Die Leute hier im Stiftschor lernen schnell. Effektive Probenarbeit ist angesagt, denn man hat wenig Zeit für doch verhältnismäßig viele Auftritte. Stimmbildung ist mir sehr wichtig, auch das Einsingen. Ich mache gerne Voll- und Randregisterübungen, Tiefe, Stimme putzen.
3. Sie waren bisher in verschiedenen Häusern als Dirigent tätig, haben mit vielen Orchestern gearbeitet, sind selbst ausgebildeter Sänger und Pianist - was ist für sie der Anreiz, hier in St. Paul bzw. mit einem Laienchor zu arbeiten?
Hier in St. Paul bietet sich die Möglichkeit an, den Kultursommer mitzugestalten. Mit Orchestermessen besteht auch die Gelegenheit, mit Profis zu arbeiten. Der Ort selber ist ein ganz besonderer, ein wunderschöner Ort, auch wenn es nur 2-3 Tage in der Woche sind, die ich da bin. Hier arbeiten zu dürfen, gibt mir viel Kraft und Inspiration. Zwischendurch hab ich auch Phasen der Ruhe, wo ich gerne Wandern und auf die verschiedene Berge gehe, um neue Ideen zu kreieren.
Der Stiftschor muss schnell lernen und studieren, ähnlich wie Profis. Ich kann viel ausprobieren und Erfahrungen sammeln auch im Bereich Management.
Hier leite ich den Stiftschor und in Wolfsberg den Singkreis. Wir gestalten die großen Feiertage wie Ostern, Weihnachten, Pfingsten, Allerheiligen, Patrozinium, 4 Orchestermessen pro Kirchenjahr, dann weiters Gründonnerstag, Erstkommunion, Firmung, Advent, 1. Jänner, u.a. mit A-Capella-Gesängen, Messen mit Orgelbegleitung, Schütz, Schein, J. S., skandinavische Literatur. Hubert Steppan, Vorvorvorvorgänger hier in St. Paul, der schöne Werke komponiert hat im neoklassizistischen Stil, ein Mix zwischen Modern und Traditionell, wird auch immer mehr aufgeführt. Zu seiner Zeit ist seine Musik nicht so ganz positiv aufgenommen worden, jetzt ist die Zeit, diese Werke zu formieren. Dem Fürst Martin II. Gerbert wird die 300-Jahre Ausstellung gewidmet, war selbst Komponist, auch von diesen Werken werden wir in Zukunft etwas hören und singen. Er schrieb auch Instrumentalmusik, und viel 8-stimmige Werke. Es ist für mich sehr spannend, im Austausch mit dem Museum zu sein.
4. Sie sind jetzt knapp 2 Jahre hier in Kärnten tätig, welche Projekte konnten sie schon verwirklichen und was würden sie gerne verwirklichen in näherer Zukunft?
Die Projekte, die wir schon verwirklicht haben, war die ES-Dur Orgel-Solomesse von Haydn zusammen mit dem Singkreis Wolfsberg zu Pfingsten 2019. Und die Spatzenmesse, die schon seit 30 Jahren hier nicht mehr gesungen wurde. Zu Weihnachten sangen wir von Marc-Antoine Charpentier: Messe de Minuit, Mitternachtsmesse, die für Weihnachten komponiert wurde, eine Art Parodiemesse; Barockmusik mit dem Stiftschor und einem Orchester aus Graz - in Alter Stimmung -, mit Französischen Ouvertüren. Zum Patrozinium hatten wir ein skandinavisches Programm mit Söderman und Sandström, Kontrastprogramm zur Barockmusik. Und dann kam Corona. Mittlerweile probten wir wieder seit Mitte Juni, nämlich das Weihnachtsoratorium. Das haben wir aber mittlerweile schon wieder abgesagt. Wir haben überlegt, wie es sinnvoll weitergehen kann, jetzt haben wir den Chor in Kleingruppen aufgeteilt. Ich sehe die Kleingruppenarbeit positiv, die Leute werden selbstständiger beim Singen und selbstbewusster. Allerheiligen, Allerseelen, 1. Advent, 8. Dezember singen wir in Kleingruppen. Zu Ostern war Schubertmesse in G geplant, die kannten schon viele, denn ich kann nicht alles neu einstudieren, da fehlt die Zeit. Vielleicht klappt es nächstes Jahr, dieses Projekt zu realisieren. Am 2. November Duruflé-Requiem mit 5 Streichern und Orgel. 2 Aufführungen hintereinander mit 70 Leuten im Publikum.
Ein Projekt der Alten Musik möchte ich pro Jahr realisieren, zb. Oratorium von Bach oder Händel.
5. Ich finde es sehr bereichernd, wenn jemand - so wie sie - sowohl als Chorleiter als auch als Sänger tätig ist und beide Seiten kennt. Haben sie ein besonderes Erlebnis als Sänger und als Chorleiter, an das sie sich gerne erinnern?
Als Chorleiter - kürzlich mit dem Stuttgarter Kammerchor "Stabat Mater" von Domenico Scarlatti, 10-stimmig mit Continuo, als ich das Konzert dirigierte, haben bei "et in spiritum" die Kirchenglocken geläutet, ich hab einfach gewartet, bis der Glockenklang vorbei war und wir haben dann weitermusiziert, das war ein sehr intensiver Moment.
Als Solosänger - war sehr besonders das 1. Konzert, das ich nach Corona zusammen mit Birgit Stöckler gesungen habe, am 1. August, Duette und Lieder, 4 x hintereinander, es war anstrengend, aber wunderschön und inspirierend, die Freude nach solch langer Durststrecke singen zu dürfen, und bereichernd.
Im Ensemblegesang - bei einem Wettbewerb in Friaul, wir haben einander im Ensemble gut gespürt und konnten gut miteinander singen, das Publikum hat geheult, geschrien. Ein sehr bewegendes Konzert, in so einer Zeit nimmt man die Emotionen besonders wahr.
7. Wenn jemand gerne mitsingen möchte bei einem ihrer Chöre, wo können sich Interessenten melden?
eine e-mail schreiben an: stiftskapellmeister@stift-stpaul.at, SängerInnen sind jederzeit herzlich willkommen, wir brauchen dringend Männerstimmen, vor allem Bässe.