Organisation

Referat für Interreligiösen Dialog

Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (Mormon:innen)

Austausch mit einem Kirchenmitglied

Austausch mit Regina Schaunig (Mitglied der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage)

Wie würdest du die geschichtliche Entwicklung der Kirche zusammenfassen?

Die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage wurde 1830 im Bundesstaat New York gegründet, nachdem der 14jährige Farmersohn Joseph Smith besondere Visionen, Offenbarungen und konkrete Aufträge von Gott erlangt hatte, die Urkirche Christi „wiederherzustellen“. Ein Engel namens Moroni führte ihn auch zu einem Hügel, in dem eine alte heilige Schrift, genannt „Das Buch Mormon“, verborgen war, die der als Prophet berufene Joseph durch die Macht Gottes übersetzte. Weitere Offenbarungen an Joseph und seine Nachfolger in der Leitung der Kirche wurden als „Lehre und Bündnisse“ und „Die köstliche Perle“ veröffentlicht. An der Spitze der Kirche steht jeweils ein Prophet, der aus dem Kreis der Zwölf Apostel gemäß dem Dienstalter in dieses Amt vorrückt. Nach schmerzlichen Verfolgungen und Vertreibungen der Mitglieder in der Anfangszeit hat sich die Kirche im 20. Jahrhundert zu einer stetig wachsenden weltweiten Gemeinschaft entwickelt, die von einem Laienpriestertum, einer Frauenorganisation und unbezahltem Missionsdienst getragen wird. In der Österreichisch-Ungarischen Monarchie wurden Missionare noch des Landes verwiesen oder eingekerkert, dennoch gab es seit den 1880er Jahren erste Taufen. Die ersten Gemeinden in Österreich bildeten sich in Haag am Hausruck und Wien, gefolgt von Salzburg. Nach den Beschränkungen in der Zeit des Nationalsozialismus und der staatlichen Anerkennung der Kirche in Österreich im Jahr 1955 entwickelten sich auch im Burgenland, in Niederösterreich, der Steiermark, Kärnten, Tirol und Vorarlberg Gemeinden. Erste Versammlungen in Klagenfurt wurden 1955 im Arbeiterkammersaal abgehalten, 1956 ließen sich sieben Frauen im damaligen Römerbad taufen. 1969 wurde unter Mithilfe der Mitglieder das erste eigene Gemeindehaus in der Hirschenwirtstraße 17 errichtet, das bis heute als zentraler Versammlungsplatz dient. 2021 wurde auch der Bau eines Tempels in Wien angekündigt.

Was ist für dich die zentrale Botschaft?

Wir verkünden die Wiederherstellung der christlichen Urkirche in den „Letzten Tagen“ vor Anbruch des Millenniums, wenn Jesus Christus wieder auf die Erde kommt. Alle Menschen werden aufgerufen, von ihren Sünden umzukehren und zu Christus zu kommen, indem sie die Gebote Gottes befolgen und heilige Bündnisse schließen.

Welche Hauptfeste fallen dir ein?

Weihnachten und Ostern sind die zentralen religiösen Feste, die unsere Kirche weltweit begeht. Zu Hl. Drei Könige, Palmsonntag und Pfingsten wird in unseren Gottesdiensten der biblischen Ereignisse gedacht. Dazu feiern wir offiziell Muttertag und Vatertag. Feierliche Wochenenden, die unsere Mitglieder zuhause an den Bildschirmen miterleben, sind die jährlichen Frühjahrs- und Herbst-Generalkonferenzen der Kirche, bei denen Propheten, Apostel und führende Amtsträger ihre inspirierten Botschaften übermitteln. Im März treffen sich die Schwestern der Kirche in feierlichem Rahmen, um der Gründung ihrer Frauenorganisation im Jahr 1842 zu gedenken, und auch die Brüder feiern alljährlich die Wiederherstellung des Priestertums. Wir beteiligen uns natürlich auch an kulturellen und nationalen Feiern wie Neujahr, Fasching, Nationalfeiertag, 10. Oktober, Halloween, Erntedank usw. und stehen zu Allerheiligen mit unseren katholischen Verwandten an den Gräbern unserer Verstorbenen. Bei der Einweihung von Tempeln und Gemeindehäusern werden spezielle Zeremonien abgehalten.

Wie sieht das Gemeindeleben in Kärnten aus? Könntest du mir ein persönliches Statement aus deiner Erfahrung geben?

Außerhalb von Corona-Beschränkungen trifft sich unsere Gemeinde oft und gern! Wir sind eigentlich wie eine große Familie, jeder bringt seine Ideen, Talente, Interessen und seine Arbeitskraft ein, ständig wird also etwas organisiert und vorbereitet. Wir unternehmen gemeinsam Ausflüge oder Wanderungen, veranstalten Workshops, Vortragsabende, Konzerte, Kinderfaschingsfeste, Tanzabende/Bälle („ohne Rauch und Alkohol“), Theateraufführungen, Sportevents, Spielnachmittage und Geburtstagspartys. Besonders wichtig sind uns auch Sommerfeste (bis zu dreimal in der warmen Jahreszeit), traditionelle Weihnachtsfeiern mit gemeinsamem Gesang, Gedichten, Krippenspiel, Weihnachtsmann, Keksen und pro Monat ein gemeinsames Mittagessen (ein sog. „Potluck“) nach dem Gottesdienst. Außerdem treffen sich Kinder, Jugendliche, Frauen und Männer (auch als Ehepaare) zu regelmäßigen Besprechungen und geselligen bzw. lehrreichen Unternehmungen (Abendessen, Besuch von Ausstellungen, Oper/Theater, Museen, Wanderungen, Arbeitsprojekten etc.). Wir arbeiten viel und oft zusammen, z.B. in der Pflege der Außenanlagen unserer Kirche und beim Putzen des Gemeindehauses, bei der Unterstützung bedürftiger Mitglieder usw. Jeder hilft auch privat dem Bruder oder der Schwester und bringt seine Zeit und Arbeitskraft zum Wohl des Einzelnen ein (Hausbau, Übersiedlungen, Erntehilfe usw.), oder wir beteiligen uns an gemeinnützigen Projekten (bisher Säuberung des Kreuzbergls, Instandsetzung eines Volleyballplatzes bei Villach, Hilfe für Obdachlose, Frauenhaus, Flüchtlinge, Caritas, bedürftige Familien, Herzkranke Kinder, Kinderkrebshilfe, Ronald McDonalds Haus usw.). Außerdem sind wir (verstärkt seit Corona) in mehreren WhatsApp Gruppen verbunden und treffen uns über Zoom. Und dabei gibt es viel zu erzählen und meist auch zu lachen!

Wie viele und wo gibt es in Kärnten Orte der Begegnung/Kirchen/Tempel?

Seit 2004 gibt es nur mehr in der Hirschenwirtstraße in Klagenfurt ein Kirchengebäude, davor hatten wir auch ein Versammlungshaus in Villach. In den 1960er und 1970er Jahren gab es vorübergehend auch in St. Veit a.d. Glan, Spittal a.d. Drau, Lienz in Osttirol, Friesach, Völkermarkt und Wolfsberg Zusammenkünfte von Mitgliedergruppen.

Wer sind allgemein, in Österreich und speziell in Kärnten, offizielle Vertreter:innen?

Für ganz Österreich: Österreichischer Kirchenvorstand (derzeit Simon Soucek), Nationale Beauftragte für Öffentlichkeitsarbeit: Signe Lassl.

In Kärnten: Der Bischof der Gemeinde Klagenfurt (derzeit DI Heinz Mauch), die Präsidentin der Frauenhilfsvereinigung (derzeit Alice Kaiser), Mag. Dr. Regina Schaunig als Öffentlichkeitsbeauftragte („Leiterin für Kommunikation“).

Wie viele Mitglieder gibt es in etwa in Kärnten?

175

Gibt es von eurer Seite ein offizielles Statement zum Interreligiösen Dialog? Wie siehst du persönlich den Interreligiösen Dialog?

Ich persönlich: Wir sind alle Brüder und Schwestern, Gott ist unser geistiger Vater. Er liebt alle seine Kinder in gleicher väterlicher Weise und erwartet von uns, dass wir einander in Nächstenliebe begegnen. Wir sollen einander vertrauen, einander unterstützen und „der Hüter unseres Bruders/unserer Schwester“ sein, wo immer dies möglich ist. In jedem Menschen, dem wir begegnen, ist uns zu einem gewissen Teil Gott selbst gegenwärtig, wir suchen das Gute im jeweils anderen und möchten von ihm lernen. Als Christen gibt es für uns keine sozialen, religiösen, ethnischen oder kulturellen Grenzen, die nicht durch gegenseitigen Respekt und offenes Aufeinanderzugehen überwunden werden können. Insbesondere glaube ich, die großen weltweiten Probleme verlangen geradezu nach einer guten verantwortungsvollen Zusammenarbeit der verschiedenen Religionen zum Wohl der Allgemeinheit! Besondere Themen für uns in der Öffentlichkeit sind Frieden, Nächstenliebe, die Wahrung von Religionsfreiheit, der Schutz der Familie als Grundeinheit der Gesellschaft, die Unterstützung Notleidender, Menschenwürde, der Schutz ungeborenen Lebens und zunehmend auch die Bewahrung der göttlichen Schöpfung. Ziel der (Heils-)Geschichte und der menschlichen Gesellschaft ist ein gedeihliches, rücksichtsvolles Zusammenleben in Frieden! Wir glauben ja auch, dass gute Menschen jedes Glaubens erlöst und errettet werden, dass es, wenn Jesus Christus zurückkehrt und seine Milleniumsherrschaft antritt, noch unterschiedliche religiöse Vereinigungen auf der Erde geben wird. Letztlich wird sich aber, politisch gesehen, „jedes Knie vor ihm beugen“ (vgl. Jesaja 45:23, Römer 14:11).

Offizielle Stellungnahme: Der erste Ratgeber in der Ersten Präsidentschaft und Apostel Dallin H. Oaks, amerikanischer Jurist und emeritierter Universitätsprofessor, setzt sich seit Jahren stark dafür ein, dass unsere Kirche sich zusammen mit den verschiedenen christlichen, muslimischen und jüdischen Glaubensgemeinschaften sowie Buddhisten, Hindus, Freikirchen usw. zum Schutz von Religionsfreiheit möglichst zusammenschließen, indem sie das Gemeinsame vor das Trennende stellen. Er sieht insbesondere in hochentwickelten westlichen Staaten die Rechte und Freiheiten institutionell („kirchlich“) Gläubiger zunehmend in Gefahr (moralischer Relativismus, Gleichstellung von Religion und Philosophie) und verweist darauf, dass die Allgemeinen Menschenrechte und sogar die vielgepriesene Verfassung der Vereinigten Staaten von religiös motivierten Menschen und aus einer christlichen Gesinnung heraus entstanden seien. Präs. Oaks nennt das Recht auf freie Wahl und öffentliche Ausübung von Religion „ein Grundrecht, auf dem fast alle anderen Rechte aufbauen“ (z.B. freie Meinungsäußerung). Er verweist auch auf den selbstlosen Dienst und die soziale Einstellung religiöser Menschen weltweit und den unverzichtbaren Nutzen, der jeder Gesellschaft daraus erwächst. Er zeigt sich besorgt darüber, wohin eine Gesellschaft steuert, in der diese christliche bzw. nächstenliebende Einstellung nicht mehr wertgeschätzt und vielleicht sogar behindert wird? Schon Joseph Smith (1805-1844) legte in unseren Glaubensartikeln fest: „Wir beanspruchen das Recht, den allmächtigen Gott zu verehren, wie es uns das eigene Gewissen gebietet, und gestehen allen Menschen das gleiche Recht zu, mögen sie verehren, wie oder wo oder was sie wollen. (…) Wir glauben, dass es recht ist, ehrlich, treu, keusch, gütig und tugendhaft zu sein und allen Menschen Gutes zu tun; ja, wir können sagen, dass wir der Ermahnung des Paulus folgen – wir glauben alles, wir hoffen alles, wir haben viel ertragen und hoffen, alles ertragen zu können. Wenn es etwas Tugendhaftes oder Liebenswertes gibt, wenn etwas guten Klang hat oder lobenswert ist, so trachten wir danach.“ (Vgl. z.B. https://newsroom.churchofjesuschrist.org/article/president-oaks-rome-religious-freedom-summary; u.v.a.)

Ein anderer Apostel, Elder Quentin A. Cook, sagte: “So, what can be done to prevent society’s tone deafness [that threatens to drown out] the beautiful music of faith that can bless us all? … Catholics, Evangelicals, Jews, Muslims, Latter-day Saints and other faiths must be part of a coalition of faiths that succor, act as a sanctuary, and promulgate religious freedom across the world.” (Vgl. https://www.thechurchnews.com/leaders-and-ministry/2021-06-28/elder-cook-notre-dame-religious-liberty-summit-music-of-faith-217854)

Wie kann man allgemein, in Österreich und speziell in Kärnten mit Mitgliedern der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage in Kontakt treten?

Für ganz Österreich vgl.: https://news-at.kirchejesuchristi.org/kontakt/

In Kärnten am besten über mich: re.schaunig@gmail.com