Time to say Goodbye
Krankenhaus- und Altenheimseelsorger*innen tagten im Kloster Wernberg zum aktuellen Thema Straffreiheit des assistierten Suizids
Unter dem Titel „Time to say Goodbye!“ tagten die Krankenhaus- und Altenheimseelsorger*innen am 19. Mai 2021 im Kloster Wernberg. Seit der österreichische Verfassungsgerichthof im Dezember 2020 das ausnahmslose Verbot der Beihilfe zum Suizid als verfassungswidrig erklärt hat, und damit die Selbstbestimmung über Leben und Tod jedem selbst überlassen ist, gehen die Wogen hoch in der teilweise sehr emotional geführten Diskussion über den jetzt straffrei gestellten „assistierten Suizid“.
Assistierter Suizid
Der erste Referent der Tagung war Dr. Jakob Rados, Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, Palliativ- und psychotherapeutische Medizin. Er berichtete, dass das erste Verlangen nach assistiertem Suizid Anfang des 21. Jh. in Belgien bzw. den Niederlanden aufkam. Innerhalb von 20 Jahren stieg die Anzahl der assistierten Suizide von jährlich 200 auf 7000, das ist das 35fache. Aktuell wählen in den Niederlanden ca. 16 Personen pro Tag (!) diese Todesart.
Dr. Rados konnte anhand von Beispielen einen Einblick geben, in welchen Bereichen die Möglichkeit dieser Todesart Menschen gerade mit psychischen oder Demenzerkrankungen extrem unter Druck bringt. Er schilderte die Situation von Schmerzpatient*innen und deren extrem belasteten Familien und von der notwendigen Rundum-Betreuung im eigenen Haushalt. Hier besteht die Gefahr, dass Patient*innen zu einer Sofortlösung tendieren bzw. gedrängt werden könnten, der Familie diese Last abzunehmen.
Dr. Jakob Rados brachte Ergebnisse aus Untersuchungen zu den Nöten der Menschen, die überlegen, Suizid zu begehen. Es stehen im Vordergrund existentielle Nöte und nicht medizinische. Ein nicht uninteressanter Aspekt ist auch, dass Sterben auf Verlangen ein gutes Geschäft ist.
Sterben in Würde
Als zweiter Referent war Dr. Richard Pirker eingeladen, Stadthauptpfarrer Villach St. Jakob, als Fachmann für Moraltheologie und christliche Ethik, Kenner der Stellungnahme der Bioethik-Kommission des österreichischen Bundeskanzleramtes zum Thema „Sterben in Würde“.
Er startete mit der Klärung der Begriffe, passive, indirekte und aktive Sterbehilfe und assistierter Suizid. Weiters informierte er über die von der Bioethik-Kommission als ethische Bezugspunkte festgelegten Normen, die in der Diskussion über den Umgang mit sterbenden Menschen zu berücksichtigen sind: Schutz des Lebens, Anspruch auf Selbstbestimmung, Solidaritäts- und Fürsorgeprinzip und der Grundsatz der Verteilungsgerechtigkeit.
Er berichtete über die Folgen und Auswirkungen der Freigabe von Tötung auf Verlangen für eine Gesellschaft und zeigte auf, dass die Diskussion stark geprägt von utilitaristischem Denken ist: „Bin ich noch nützlich? Für mich? Für andere?“
In der Diskussion der Teilnehmer*Innen war schnell klar, dass es keine einfachen Lösungen gibt, dass Kirche zwischen „Schutz des Lebens“ und „begleitende Ansprechperson-Sein“ ein breites Spektrum abdecken muss. Kirche muss sich einmischen, Position beziehen und in der Frage nach der Sehnsucht der Menschen nicht wertend vom Umgang mit Leid und von der Gegenwart Gottes reden.
(Bericht: Mag. Elisabeth Vallant)