Organisation

Referat für Menschen mit Behinderungen

Pilger der Hoffnung

Frühjahrsausgabe von "Schatten & Licht" zum Heiligen Jahr

Foto: Haab
Pilger vor dem Dom zu Gurk

„Pas d‘espoir“, hoffnungslos, würde man in Frankreich sagen, wenn das Kind die Ostereier im Wohnzimmer sucht, die Eier aber im Garten versteckt sind. Die christliche Hoffnung, die durch schwierigste Lebenssituationen trägt, wird mit einem anderen Wort bezeichnet: „espérance“. Das eine ist sehr konkret, das andere bezieht sich auf einen weiteren Horizont.
Papst Franziskus nimmt das Jubiläumsjahr 2025 zum Anlass, die Christenheit auf den Weg zu schicken. In Jahren und Tagen, in denen bisherige Gewissheiten zerbrechen und sich große Unsicherheiten auftun, lädt er ein, uns bewusst auf den Weg zu machen. Nicht als Getriebene, sondern als Pilger. Nicht als Verzweifelte, sondern als Hoffende: Gott selbst kommt uns entgegen.
Auch das passt ins Bild: nicht den ganzen Weg zu kennen. Oft sehen wir nur die nächste Etappe, manchmal sogar nur den nächsten Schritt. Ob mehr „espoir“ oder mehr „espérance“, zeigt sich manchmal erst unterwegs. Das eine kann aus dem anderen wachsen, wie Sie in den Geschichten dieser Ausgabe lesen.

Auch in biblischen Bildern spielt Hoffnung eine große Rolle. Sie wird verglichen die Wurzeln eines Baumes, die auch in Zeiten der Dürre bis zum Wasser reichen und ihn nicht verdorren lassen. Ein anderes Bild, das auf Ostern hin aufscheint: „Stark wie der Tod ist die Liebe“. Wer dem Tod begegnet ist, weiß, was das heißt. Glaube, Hoffnung und Liebe als die drei Tugenden, die den Menschen tragen: Drei Begriffe, die etwas zu beschreiben versuchen, was vielleicht gar nicht drei verschiedene Dinge sind, sondern ein einziges ...
Wir laden Sie ein: Machen Sie sich mit uns auf den Weg, um zu den Quellen der Hoffnung zu finden und sie miteinander zu teilen!

Georg Haab

Ich will euch eine Tür öffnen

Johannes Staudacher schreibt in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift: Wie kann ein Mensch in den Schwierigkeiten des Lebens noch weitergehen, und weiter und weiter…? – Wenn er Hoffnung hat und weil er Hoffnung hat. Der Kranke zum Beispiel: Er hofft auf die Heilung seiner Krankheit. Wenn diese nicht möglich ist, dann hofft er auf Besserung. Und wenn diese nicht eintritt, hofft er, dass der morgige Tag leichter sein könnte als der heutige ... Und hofft eines Tages, dass wenigstens das Zu-Ende-Gehen seines Lebens in Frieden und möglichst ohne Schmerzen geschehen könne. Und dass dieses Ende zugleich ein Anfang ist, ein Hinein-Gehen in etwas Neues … Immer wieder hofft er.
Und daneben hofft er auch immer schon: auf das bestmögliche Tun der Ärzte, auf gute Betreuung, auf Menschen, die ihm beistehen … Also: Wie kann ein Mensch in den Schwierigkeiten des Lebens noch weitergehen? – Durch das Geheimnis der Hoffnung.

Ich will euch eine Tür öffnen

Als Papst Franziskus zum Beginn des Heiligen Jahres 2025 eine Eröffnungsfeier in einem Gefängnis der Stadt Rom gehalten hat, da hat er – und zwar im Gefängnis – eine „Heilige Pforte“ geöffnet. Wenn Gott die Liebe ist, dann gilt auch den Insassen des Gefängnisses das Versprechen: Ich, euer Gott, will euch eine Tür öffnen in etwas Neues.
Im Zusammenhang dieser Feier hat Papst Franziskus gesagt, was er den Menschen an diesem Ort am meisten wünscht: „Verliert nicht die Hoffnung! Das ist die Botschaft, die ich euch geben möchte.“
Unvergesslich sind mir manche einfachen Sätze geblieben, von Menschen gesprochen, die damit ihre eigene Erfahrung hatten. Etwa dieser: „Und wenn ich gemeint habe, es geht jetzt einfach nicht mehr. Es ist alles aus. Dann ist etwas gekommen und hat mich getragen.“ Hoffnung, die sich aus Erfahrungen in bitterer Zeit ernährt. Etwas, das weiter trägt, auch durch die Dunkelheit, die sich immer wieder einstellt. Was kann Menschen tragen, wenn das Leben unerträglich geworden ist? – Das Geheimnis der Hoffnung.

Grenzen werden aufgehoben

Neben Jesus wird einer gekreuzigt, der von sich selber sagt: „Ich erhalte den Lohn für meine Untaten.“ Das ist schon recht, dass ihm die Zukunft genommen wird, sagt er selbst. Aber die Hoffnung ist ihm noch nicht genommen. So bittet er Jesus: „Denk an mich, wenn du in dein Reich kommst.“ Und er bekommt ein Wort, das grenzenlose Hoffnung macht: „Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.“ In der Stunde des Untergangs wird ihm Zukunft geschenkt.
Das Lukasevangelium mündet in dieses Bild der Hoffnung. In der Ostkirche gilt diese Szene als Urbild, in dem sichtbar wird, wer Jesus eigentlich und wirklich ist. Ja, so spricht der Barmherzige zu uns, zu seinen Geschöpfen. Wenig später gehen zwei aller Hoffnung beraubte Jünger Jesu nach Emmaus. Sie klagen über den Gang der Welt: dass Jesus, auf den so viele gehofft haben, jetzt im Grab liegt. Einer aber geht mit ihnen, und – so heißt es – das Herz beginnt ihnen zu brennen. Das Geheimnis der Hoffnung taucht aus der Asche auf, da ist eine Glut unter allem, was erloschen ist. Ostern erleben heißt: die Hoffnung wieder finden. Die unbesiegbare.

Stark wie der Tod

Die Kirche hat sich selbst ursprünglich als das Volk verstanden, das eine Hoffnung hat. In der griechischen Kultur gab es das Wort „elpis“, Hoffnung. Aber dieses Wort hat eher die Bedeutung gehabt von „Träume sind Schäume“. „Elpis“ war für Griechen eher etwas, was wir uns erträumen, was aber nicht kommt. Die ersten Christen haben diesem Wort eine neue Bedeutung gegeben. „Hoffnung“ ist genau das, was kommt und was zur Wirklichkeit wird. „Gott, der die Toten auferweckt“ – so steht es dann bei Paulus. Und in dieser Hoffnung hat jedes Leben und jedes Stück der Geschichte einen Platz. Mag eine Entwicklung im persönlichen Leben oder im gemeinsamen Leben noch so schwierig, ja aussichtslos sein: Gott ist der Gott, der die Toten auferweckt. „Bei Gott ist nichts unmöglich.“ Christen haben deshalb kein Recht auf Hoffnungslosigkeit.
Vor kurzem erschien das Buch „American Mother“. Diane Foley, die Co-Autorin, ist die Mutter von James Foley, der als Journalist vom IS in Syrien verschleppt und schließlich im Jahr 2014 getötet wurde. Als einer der Mörder ihres Sohnes das Gespräch mit ihr sucht, nimmt sie das an. Wie weit kann sie ihm trauen? Welchen Sinn hat das alles? Da findet sich ein bemerkenswerter Satz dieser Mutter: „Sie will sich ihre Offenheit gegenüber der Welt bewahren. Sie weiß, dass man blauäugig sein muss, um zu einem tieferen Verständnis zu gelangen.“ Das scheint mir ein wichtiger Hinweis zu sein in einer Zeit, in der viele nicht mehr miteinander reden. Nur in der Offenheit und in der Bereitschaft, etwas besser zu lernen – also, anders gesagt, nur in der Hoffnung – werden wir unsere Gespräche nicht abbrechen. „Blauäugigkeit ist ein anderer Name für Hoffnung.“

Hüter der Hoffnung sein

Beim evangelischen Christen Roger Schutz, um den herum die Gemeinschaft von Taize entstanden ist, habe ich den Satz gefunden: Christen sind „Hüter der Hoffnung im Herzen der Menschheit“. Manchmal wären wir gern die Sieger in der Geschichte. Nicht beladen, sondern frei und weit ausschreitend. Wer aber beladen ist, kann oft erst recht Träger der Hoffnung sein. Ein Zeichen in der Welt, wie diese es braucht. „Hüter der Hoffnung im Herzen der Menschheit“ – eine schöne Beschreibung unseres Auftrags in dieser Welt.

Johannes Staudacher