Mit der Fähre über die Drau
Am zweiten Tag der Krainer Wallfahrt, die bis 1938 alljährlich ohne Unterbrechung stattfand, gab es für die Pilger stets um 11 Uhr vormittags eine hl. Messe in der Klagenfurter Stadthauptpfarrkirche St. Egid. Bei einer reinen Gehzeit von 5 Stunden und der Zeit, welche die Überfuhr bei Glainach über die Drau in Anspruch nahm, musste man wohl schon um 5 Uhr morgens in Ferlach aufbrechen, um pünktlich zum Gottesdienst in Klagenfurt zu sein. Da war keine Zeit, um sich näher mit den kulturellen Schätzen am Wegesrand zu befassen, oder die herrliche Landschaft des Rosentals zu genießen. Doch gerade das macht heute den Reiz des Pilgerns aus, dass man sich im Unterwegssein Zeit nehmen kann für die vielen spirituellen und kulturellen Angebote ringsum.
Wer früh morgens, wenn vielleicht noch ein letzter Nebelschleier über Ferlach liegt, von der Pfarrkirche kommend über den Hauptplatz geht, kommt am Stadtbrunnen vorbei. Dieser besitzt eine der Antike nachempfundene, in wallendes Leinen gekleidete Statue einer Wasserträgerin. Die marmorne Brunnenfigur erinnert an Zeiten, als noch nicht jeder Haushalt mit fließendem Wasser versorgt wurde und der Weg zur nächsten Wasserstelle zum Alltag der Menschen zählte. Nach rund einer Stunde erreicht man von Ferlach kommend die Valentinsfähre in Glainach. Nach dem Namen des Schutzpatrons der Kirche in Glainach benannt, sicherte der Fährbetrieb über Jahrhunderte hinweg das Überqueren der Drau, da wegen des unberechenbaren Flussverlaufes und der häufigen Hochwasser die Anzahl der Draubrücken in Kärnten bis ins 19. Jh. sehr klein war. Am Weg von der Anlegestelle der Fähre in Oberguntschach nach Haimach kommt man dann am sagenumwobenen Hemmafelsen vorbei. Die Legende weiß folgendes über die auch „Hemma Rast“ genannte Stelle, wo sich heute direkt am Felsabsturz eine Gedenktafel befindet, zu berichten:
Als Frau Hemma auf Schloß Peilenstein in Krain weilte, erreichte sie die schreckliche Nachricht, dass ihre beiden Söhne von den rohen Bergknappen in Friesach erschlagen worden seien. Hemma ließ sofort die Pferde satteln und drängte, so schnell wie möglich zu den Leichen ihrer beiden Söhne und zu ihrem Gatten zu kommen. Aber lang war der Weg. Mit einigen getreuen Dienern zog sie über den Loiblpass nach Kärnten. Müde und erschöpft hielt sie an einem Felsen an der Drau eine kurze Rast. Dabei schlief sie ein. Auf einmal umgab ein heller Lichtschein den Felsen, ein Kreuz leuchtete auf, und im Traum sah sie die Schmerzhafte Muttergottes von Maria Elend, die sie mahnte, den Feinden, die ihre beiden Söhne ermordet hatten, zu verzeihen. Darauf erschienen der betrübten Mutter die beiden Söhne, freundlich winkend, in himmlischem Glanz. Dann verschwand das Traumbild. Hemma erwachte und verließ ohne Zorn und ohne Rachegedanken in verklärtem Schmerz die Stätte ihres Traumes und ließ ein Kreuz an dieser Stelle errichten. Die Stelle zwischen den Orten Unterguntschach (Pfarre Göltschach) und Haimach (Pfarre Maria Rain) heißt noch heute "Hemma-Rast". Beruhigt kehrte nun Frau Hemma zu ihrem Gemahl, dem sie von ihrem Traumgesicht erzählte, heim.
Einer anderen Version der Geschichte zufolge soll Hemma auf ihrer Rückreise von Krain unter dem Felsen Schutz vor einem Gewitter gefunden haben. Sie habe diesen Weg gewählt, weil auf der Hollenburg zum damaligen Zeitpunkt Raubritter ihr Unwesen trieben.
Von Haimach führt der Hemmapilgerweg heute nicht entlang der Straße nach Maria Rain, sondern macht einen kleinen Umweg über die Aussicht Petelinz. Angesichts der traumhaften Fernsicht, die sich von dieser Stelle auf das Rosental und die südlich vorgelagerten Karawanken bietet, ein Höhepunkt des Tages. Kurz bevor man zur Aussicht Petelinz abzweigt, ist am Wohnhaus des Gehöftes vulgo Krull in einem Blindfenster eine von Norbert Cech im Jahr 2008 gemalte Hemmadarstellung zu entdecken. In der Wallfahrtskirche von Maria Rain trifft man dann wieder auf eine Darstellung der Heiligen, diesmal als Konsolfigur links des Triumphbogens.
Welchen Weg die Krainer Wallfahrer vormals von der Fähre in Oberguntschach nach Maria Rain gewählt haben, ist nicht bekannt. Während diese dann von Maria Rain am kürzesten Weg nach Klagenfurt zur Stadthauptpfarrkirche zogen und nach der hl. Messe und einem stärkenden Mittagessen von hier um drei Uhr nachmittags noch bis nach Maria Saal weiter pilgerten, führt der Hemmapilgerweg heute in einem Bogen über Stift Viktring mit seiner sehenswerten Marienwallfahrtskirche in die Stadt hinein, wo die Tagesetappe endet und für jeden Pilger noch ausreichend Zeit für Sightseeing bleibt.