Eine spirituelle Reise in Vergangenheit und Gegenwart
Kulturfahrt Timau und Cercivento
Die erste Kulturfahrt des heurigen Jahres führte in die geschichtsträchtige Region Karnien (Carnia), in das Tal des But (Valle del But). Die ersten Gedanken des Tages verweilten bei unserem geschätzten und beliebten Siegfried Muhrer, der als ausgewiesener Italienkenner zahlreiche Exkursionen in unser südliches Nachbarland leitete und wohl über „jedes Dörfchen etwas zu erzählen wusste.“
Begleitet wurde die Fahrt durch die Theologin und Pastoralassistentin Martha Weisböck und die Historikerin Manuela Maier sowie durch Monika Suntinger vom Referat für Tourismusseelsorge, welche durch wertvolle Vorbereitungs- und Hintergrundarbeit maßgeblich zu einem harmonischen Ablauf des Tages beitrug.
Unsere Route führte durch das Kanaltal bis Tolmezzo und über Paluzza weiter ins Talinnere nach Timau (Tischlbong). Dort hat sich über die Jahrhunderte eine alte Kärntner Dialektvariante erhalten, das „Tischlbongerische“, welches auf die ursprüngliche Besiedelung der Gegend durch Menschen aus dem Drautal und dem Weissenseegebiet zurückgeht. Der alte Ort Timau wurde 1729 durch ein verheerendes Unwetter derart zerstört, dass man sich entschloss, etwa 1 km talauswärts eine neue Siedlung zu errichten, den heutigen Ort Timau.
Der Schwerpunkt der Kulturfahrt lag einerseits auf der bewegenden Historie dieses Gebietes, andererseits war es uns ein Anliegen, die TeilnehmerInnen spirituell zu begleiten und miteinzubeziehen.
Auf der Anreise erfolgte eine Einführung zur Geschichte Italiens vom Wiener Kongress bis zum Ersten Weltkrieg. Im Mai 1915 war Italien auf Seiten der Entente in den Krieg gegen Österreich-Ungarn eingetreten und somit war die Karnische Front eröffnet. Bald erstarrten die Kämpfe in einem Stellungskrieg mit zusätzlichen Entbehrungen für alle Soldaten durch Wintereinbrüche mit teils enormen Schneemengen und Lawinenabgängen. Als im Oktober 1917 die österreichisch-ungarische Offensive von Flitsch und Tolmein begann, ging in den Karnischen Alpen der Krieg zu Ende – Not und Armut blieben.
Keine dreißig Jahre später wurden bei Tolmezzo Kosakenverbände mit ihren Familien angesiedelt, denen vom nationalsozialistischen Regime neues Siedlungsland in Friaul zugewiesen worden war. Wiederum befand man sich im Krieg – erneut Not und Elend, aber auch Hilfsbereitschaft und Mitmenschlichkeit in diesen schweren Zeiten. Die Kirche Christo Regi in Timau erinnert daran und wird auch „Kosakenkirche“ genannt.
Nach der Ankunft in Timau wurden wir im Ristorante "da Otto" mit Kaffee und köstlichen Kuchen bewirtet, bevor sich die Gruppe zu einem Rundgang aufmachte. In der Chiesa di santa Gertrude begaben wir uns auf die Spuren der Mystikerin Gertrud von Helfta.
Eine der beeindruckendsten Persönlichkeiten von Timau, Maria Plozner Mentil, begegnete uns beim „Denkmal der Karnischen Trägerinnen“. Die Trägerinnen versorgten die italienischen Truppen im Gebirge mit Nachschub. Maria Plozner wurde von einem österreichischen Scharfschützen schwerst verwundet, während sie gerade eine Pause einlegte und erlag wenig später ihren Verletzungen. Doch die Erinnerung an diese außergewöhnliche Frau, die sich durch Güte und Selbstlosigkeit auszeichnete blieb lebendig.
Nach einem kurzen Spaziergang erreichten wir das Ossario, welches 1936/37 auf den Ruinen der alten Kirche von Timau errichtet worden war und den Gebeinen von über 1.700 gefallenen Soldaten als ewige Ruhestätte dient. Auch die sterblichen Überreste von Maria Plozner wurden hier nach einer Überführung beigesetzt.
Freundlicherweise wurde das Ossario durch den Museumsdirektor Luca Piacquadio von Timau für uns geöffnet und Frau Ivana begrüßte uns herzlich auf „Tischlbongerisch“ – ein wahres Spracherlebnis, welches für einige Schmunzler sorgte.
In der Pfarrkirche Christo Regi (errichtet 1946-1964) fanden wir nach all den aufwühlenden historischen Ausführungen Ruhe und Besinnlichkeit. Kriege prägen die Menschheitsgeschichte von Anbeginn an und selbst heute, in einer scheinbar so hoch entwickelten Gesellschaft, sind die Niederungen menschlicher Machtgier stets gegenwärtig. Martha Weisböck gelang es durch eine tief bewegende Friedenslicht-Feier, dass unser Glaube an das Gute im Menschen Stärkung fand. Der Gesang von „Da pacem cordium“ erhob sich aus unseren Kehlen, berührte tief unsere Herzen und wurde gedanklich aus der Kirche in alle Teile der Welt geschickt, wo Menschen im Kriegsleid christlicher Tröstung bedürfen. Glaube, Gebet, Kerzenlicht und Gesang vereinigten sich zu einer mit Worten kaum fassbaren spirituellen Erfahrung, welche all das historisch Bedrückende auflöste und uns in hoffnungsfrohe Stimmung versetzte.
In Cercivento wurde 2012 ein eindrucksvolles Projekt ins Leben gerufen, „una bibbia a cielo aperto“, eine „Bibel unter freiem Himmel“ mit fünf unterschiedlichen Themenwegen. Martha nahm uns mit auf dem „Weg des Glaubens“ und durch ihre umfangreiche Kenntnis und ihre herzerfrischende Erzählweise erwachten die biblischen Szenen auf den Mosaiken zum Leben. Beginnend bei der Berufungsgeschichte von Abraham und Sarah bis zu den zwei Erzählungen „Heilung des Gelähmten“ und die Geschichte der blutflüssigen Frau, die Heilung erfährt, als sie Christi Kleid berührt.
Um die Thematik des Vormittags wieder aufzunehmen und abzurunden, beschlossen wir den Rundgang beim Gemälde von Michelangelo „Das jüngste Gericht“. Neben kunsthistorischen Erläuterungen zur Entstehungsgeschichte des Gemäldes las Manuela nochmals die Tagebuchstelle eines Soldaten vor, der beschreibt, wie es wohl jenen Menschen am Tage des Jüngsten Gerichts ergehen wird, die den Krieg verschuldet haben.
Bei der Kirche hl. Martin von Cercivento blickten wir zum Abschluss auf das Mosaik mit der Darstellung der Krönung Mariens und Martha stellte die Frage, für welche Taten in unserem Leben, wir wohl am Ende unseres Lebens eine Krone von Christi erhalten werden.
Überwältigt von all den Eindrücken fand unsere Kulturfahrt in der Pizzeria La Torate in Paluzza ein gemütliches und geselliges Ende.
(Manuela Maier)