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Stift Gurk

“Frauentag” am Gurker Fastentuch

Darstellungen der biblischen und außerbiblischen Frauen

Darstellungen der biblischen und außerbiblischen Frauen am Gurker Fastentuch

von Ilse Aiglsperger

Wir haben dieses Mal den Weltfrauentag vom 8. März zum Anlass genommen und die Darstellungen der Frauen am Fastentuch in den Mittelpunkt des Interesses gestellt. Von den namentlich in der Bibel oder den außerbiblischen Schriften genannten Frauen lassen sich am Alten Testament sechs Frauen finden, nämlich Eva, Rebekka, Judith, Esther, Maria und die außerbiblische Sibylle. Dazu kommen noch die in der Bibel nicht namentlich überlieferten Ehefrauen von Lot und Hiob, die Tochter des ägyptischen Pharaos sowie eine der Gemahlinnen von König Salomon. Die Ehre einer mehrmaligen Darstellung wird auf der Hälfte des Alten Testaments zwei Frauen zuteil, nämlich Eva und Maria. Eva ist, mit Ausnahme des ersten Bildes, auf allen Bildern in der ersten Reihe abgebildet. Dass wir Maria im Alten Testament, wie Eva, gleich vier Mal finden, haben wir den vielen außerbiblischen Quellen zu verdanken, die gerade auf der Hälfte des Alten Testaments sehr stark vertreten sind. Von den vier Marienszenen ist nur der Traum Jesses biblisch überliefert, wenn auch ohne der Erwähnung Marias. Die starke Präsenz von Maria, ist Teil des heilsgeschichtlichen Aufbaus des Gurker Fastentuchs. Die Szenen am Alten Testament sind als Spiegelbild der Ereignisse im Neuen Testament zu verstehen. Der Traum Jesses und die Vision des Kaiser Augustus versinnbildlichen ein vorchristliches Beispiel aus der jüdischen und eines aus der heidnischen Tradition, die beide auf das Kommen Marias und Jesu hindeuten. Die beiden Darstellungen aus dem Marienleben am Ende des Alten Testaments sind Übergang zum Neuen Testament, das mit der Verkündigung und damit wieder mit einer Mariendarstellung beginnt.

Am Neuen Testament dominiert Maria unter den Darstellungen der biblischen Frauen. Auf den 49 Feldern ist sie insgesamt dreizehn Mal abgebildet. Ihre große Präsenz am Gurker Fastentuch ist zum Teil sicherlich auch dadurch zu erklären, dass im Gurker Dom, eine Marienkirche, ihre Verehrung besonders stark war. Neben Maria schenkt diese Hälfte des Gurker Fastentuchs noch weiteren bekannten Frauen aus den Evangelien einigen Raum. So finden wir die Darstellung der Elisabeth bei der Heimsuchung Mariä, eine Szene, die mit ihrer detaillierten Darstellung der Kinder im Bauch der zwei Frauen besonders fasziniert. Unter den Darstellungen vom Wirken Jesu nimmt seine Begegnung mit der Frau am Jakobsbrunnen eine sehr zentrale Rolle ein. Mir dem kräftigen Rot ihres Kleides und in der Position des Bildfeldes in der Mitte des Tuchs, zieht sie nicht nur die Aufmerksamkeit von Jesu, sondern auch die der Betrachterinnen und Betrachter auf sich. In derselben Reihe findet sich die Darstellung der Sünderin, die Jesus die Füße salbt. Zuerst sieht man sie ohne Heiligenschein beim Gastmahl im Hause Simons, wie sie hinter den Füßen von Jesus kauert und mit ihren Haaren seine Füße salbt. Drei Szenen später sieht man eine ähnliche Szene. Diesmal kniet eine Frau vor Jesus, hält seinen Fuß und ist bereit diesen mit dem kostbaren Öl zu salben. Ein Heiligenschein ist deutlich zu erkennen. In den Evangelien bleibt die Sünderin im Hause Simons, die wohl mit der ersten Szene gemeint ist, immer ohne Namen. Bei Johannes findet die Szene bei einem Mahl, das auf die Auferweckung des Lazarus folgt, statt und die salbende Frau wird als Maria bezeichnet, womit wohl die Schwester des Lazarus gemeint war. Am Fastentuch sind also beide Traditionen vergegenwärtigt. Seit dem Mittelalter werden diese Frauen immer wieder mit Maria Magdalena gleichgesetzt, die so in der christlichen Überlieferung immer stärker in die Rolle der Sünderin oder der Prostituierten gedrängt wurde, die durch das Wirken Jesu auf den rechten Weg gefunden hat. Wie die Geschichten auf dem Fastentuchs für das Kirchenvolk in den vergangenen Jahrhunderten gedeutet wurden, kann hier nicht mit eindeutiger Sicherheit beantwortet werden. Eine starke Nähe zu Maria Magdalena wird es wohl gegeben haben. Denn noch in der heutigen Literatur (vgl. Otto Rainer) zum Fastentuch wird sie immer wieder im Zusammenhang mit den beiden Szenen genannt. Ohne Zweifel eine Darstellung von Maria Magdalena ist die berühmte „Noli me tangere“ Szene in der vorletzten Reihe des Fastentuchs. Während im Hintergrund die zwei Frauen warten, mit denen Maria zum Grab gegangen ist, kniet Maria Magdalena aufrecht vor Christus. Dabei berührt sie nicht ihn, sondern das Salbgefäß, das vor ihr steht. Es ist das gleiche Salbgefäß, das in den beiden anderen Bildern noch verschlossen ist. Gerade das Beispiel von Maria Magdalena zeigt, wie sehr die einzelnen biblischen und außerbiblischen Frauen in ihrer Darstellung vom mittelalterlichen Denken geprägt sind.

Im Lichte eines internationalen Frauentages darf abschießend gesagt werden, dass die Frauen am Gurker Fastentuch durchaus präsent sind, wenn sie auch in eindeutiger Minderheit gegenüber den Männern bleiben, was natürlich aus der Zeit heraus zur verstehen ist. In der Auswahl der biblischen und außerbiblischen Rolle haben Maler und Auftraggeber des Fastentuches den breiten Bibelkanon sehr umfangreich bearbeitet. Mit der folgenden Liste und einer Auswahl der Bilder können Sie sich selbst davon ein Bild machen.

Literatur: Othmar Stary, Wim Van der Kallen: Das Fastentuch im Gurker Dom. Otto Rainer, Dom zu Gurk Fastentuch. Stuttgarter Neues Testament.

Altes Testament

  • Eva: I/2-5 - Erschaffung, Sündenfall, Vertreibung aus dem Paradies, Folgen des Sündenfalls)
  • Lots Frau (Name in der Bibel nicht genannt): III/11 Untergang Sodoms
  • Rebekka: III/13 – Isaak segnet Jakob
  • Tochter d. Pharaos: IV/17 – Auffindung des Moses
  • Hiobs Frau (Namen in der Bibel nicht genannt): V/25 – Der Dulder Hiob
  • König Salomons Frau: VII/33 – Salomonische Urteil
  • Judith: IX/42 – Tötung des Holofernes
  • Esther: IX/43 – Esther und Haman
  • Weissagende Sybille: X/48 – Die Vision Augustus und Sibylles

Maria (Altes Testament):

  • VI/26 - Traum Jesses,
  • X/48 - Vision Augustus und Sybilles (außerbiblisch)
  • X/49 – Mariä Geburt
  • X/50 – Opferung Marias im Tempel

Neues Testament

  • Elisabeth: I/52 – Heimsuchung Mariä
  • Sünderin („Maria Magdalena"): V/72 - Das Gastmahl Simons
  • Frau am Jakobsbrunnen: V/73
  • Martha und Maria: V/74 – Auferweckung des Lazarus
  • Maria (die Schwester d. Lazarus?): V/75 – Salbung in Bethanien
  • Maria Magdalena und die anderen Frauen: IX/95 – Noli me tangere

Maria (Neues Testament)

  • I/51 – II/57: Mariä Verkündigung, Mariä Heimsuchung, Geburt Christi, Beschneidung Christi, Hl. 3 Könige (verloren), Darstellung Jesu im Tempel, Flucht nach Ägypten;
  • III/64: Hochzeit in Kanaa
  • IV/69: Wunderbare Brotvermehrung
  • VIII/89: Kreuztragung
  • IX/91, IX/92, IX/94 – Kreuzigung, Grablegung, Jesus erscheint seiner Mutter
  • X/97, X/98 – Christi Himmelfahrt, Pfingsten