Organisation

Priesterseminar der Diözese Gurk in Graz

Unser Priesterseminar

Das ehemalige Jesuitencollegium, heute Priesterseminar, Bürgergasse 2

Als Gegengewicht zur überwiegend protestantisch gewordenen Stadt und zur protestantischen Stiftsschule berief Erzherzog Karl II. von Innerösterreich 1572 die Jesuiten (die 1534 gegründete Societas Jesu) nach Graz, wo ihnen der Pfarrhof der Ägydiuskirche überlassen wurde. Im selben Jahr noch begann der Bau des Collegiums. Bereits 1573 waren der Nord- und Ostflügel fertiggestellt und die Jesuiten nahmen mit der Eröffnung eines Gymnasiums ihre Lehrtätigkeit im Sinne der katholischen Gegenreformation auf. Die Schülerzahl stieg rasch an, schon 1585 konnte eine philosophische und theologische Universität im Collegium gegründet werden. Noch vor dem Ende des 16. Jahrhunderts erfolgte die Erweiterung zu der bestehenden Vierflügelanlage mit dem großen Innenhof. In der Bürgergasse bestand ein Übergang zur Ägydiuskirche, die den Jesuiten als Ordenskirche übergeben worden war.

Alter Kupferstich, welcher das Grazer Jesuitencollegium und die Alte Universität zeigt (© Foto: Priesterseminar)
Alter Kupferstich, welcher das Grazer Jesuitencollegium und die Alte Universität zeigt (© Foto: Priesterseminar)

Das zwischen 1572 und 1597 unter der Leitung des aus Gandria bei Lugano stammenden Vinzenz de Verda erbaute Collegium in Graz zählt neben den Niederlassungen in Augsburg, München und Koblenz zu den größten Jesuiten-Neubauten dieses Jahrhunderts im deutschen Sprachraum. Nach den Regeln der Generalkongregration sollten die Collegiumsbauten am Hofsystem der mittelalterlichen Klöster festhalten, mit der Kirche verbunden sein und der gelobten Armut eingedenk weder Aufwand noch Prunk zur Schau tragen. Diesen Regeln entsprach die Grundkonzeption des Grazer Collegiums mit seiner strengen, asketischen Bauweise. Da das Grazer Jesuitencollegium als einziges der im 16. Jahrhundert errichteten Collegien in seiner Gesamtstruktur weitgehend intakt erhalten ist, stellt es ein für die gesamte deutsche Ordensprovinz bedeutendes Dokument der Jesuitenarchitektur dar.

An der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert erfolgten umfangreiche Umbau- und Renovierungsarbeiten. Der gesamte Bau wurde um ein Geschoß erhöht und die hofseitigen offenen Arkadengänge verglast. Das Refektorium, der Bibliothekssaal (ab 1834 Kapelle, heute Barocksaal) und die Aloysiuskapelle erhielten eine barocke Ausstattung, von der die qualitätsvollen Stuckdecken und Portale noch erhalten sind. Von großer kunsthistorischer Bedeutung erweist sich die "Prunkstiege", deren Gewölbestuck kleine Freskenfelder mit Marienemblemen zeigt. 1745 wurde über dem Refektoriumsflügel ein astronomisches Observatorium mit Vermessungstürmen errichtet.

Die Aufhebung des Jesuitenordens im Jahre 1773 bedeutete das plötzliche Ende einer zweihundertjährigen Lehrtätigkeit. Das Collegiumsgebäude nahm in der Folge durch stets wechselnde Funktionen großen Schaden, während der französischen Invasion diente es sogar als Kaserne. Erst die Übergabe des Gebäudes an das k. k. Convikt im Jahre 1802 setzte der Verwahrlosung ein Ende. 1808 wurde auch das Priesterhaus der Seckauer Diözese hierher verlegt. Anstelle des Convikts bezogen 1848 das akademische Gymnasium und die Universität die Räume. Seit Ende des 19. Jahrhunderts dient das ehemalige Jesuitencollegium für kirchliche Kanzleien und als Priesterseminar.

Dr. Wiltraud Resch
15.9.1994