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Institut für kirchliche Ämter und Dienste

Wie kommt ein Juden unterstellter Frevel in die Bricciuslegende von Heiligenblut?

Ein Beitrag zum Tag des Judentums am 17. Jänner 2025

Ölbilder in der Pfarrkirche von Heiligenblut (K. Einspieler)
Ölbilder in der Pfarrkirche von Heiligenblut (K. Einspieler)

Die Legende von Briccius, der vom Kaiser in Konstantinopel ein Fläschchen mit dem Blut Christi als Lohn für seinen Dienst erhalten hat, in Heiligenblut durch eine Lawine umgekommen ist und hier begraben wurde, ist in Kärnten allseits bekannt. Immerhin leitet sich der Name des Ortes unter dem Großglockner davon ab. In diesem Beitrag geht es nicht darum, die geschichtlichen Aspekte der Legende zu bearbeiten. Im Zentrum steht die Frage, wie die Herkunft der Reliquie mit dem Blut Christi erklärt worden ist. Denn die Legende, die darüber Auskunft gibt, trägt bedauerlicherweise antijüdische Züge, die man nicht unkommentiert stehen lassen kann.

Schriftliche Quellen und Darstellungen

Die älteste uns zugängliche schriftliche Quelle der Bricciuslegende ist ein Salzburger Visitationsbericht aus dem Jahr 1615. Sie erzählt von einem byzantinischen Kaiser, der am Glauben zweifelte. Zu jener Zeit, so die Legende, betrat ein Jude die Kirche, um die Macht des christlichen Gottes zu erproben. Er zückte ein langes Messer und verletzte damit das Bild des Gekreuzigten. Daraufhin vergoss das beschädigte Bild eine große Menge Blut. Der erschrockene Jude aber flüchtete. Er wurde jedoch von Christen gefasst, die ihn zur Rede stellten. Unter der Bedingung, dass sein Leben gerettet wird, gestand er seine Tat. Zum christlichen Glauben bekehrt, berichtete der Jude dem Kaiser die ganze Geschichte. Sogleich suchte der Herrscher mit dem gesamten Klerus das Bildnis auf und schloss das Blut in einem Glas ein. Weitere Fassungen der Legende folgten ab dem frühen 18. Jahrhundert. Während die Inhalte dieser schriftlichen Quellen jedoch nur geschichtlich Interessierten zugänglich sind, vermitteln ihre bildhaften Darstellungen einer breiteren Öffentlichkeit in zwei Kirchen das Bild eines Juden, der sich am Kostbarsten des Christentums vergeht. In der Pfarrkirche von Heiligenblut befindet sich in den Spitzbogenfeldern ein Zyklus von vierzehn Gemälden. Sie werden in das Jahr 1707 datiert und erzählen dieselbe Geschichte. Die beiden für dieses Thema relevanten Darstellungen befinden sich im Bogen vor der Kanzel. Unter den Bildern erläutern Textfelder, die direkt auf die Wand aufgetragen worden sind, ihren Inhalt. Daraus geht hervor, dass ein Jude, der nicht geglaubt hat, dass Jesus der wahre Messias sei, mit einem Messer dem Kruzifix in die Seite stach, woraus das heilige Blut geflossen ist. Dies habe dem ungläubigen Kaiser als Zeichen gedient. Die Bildunterschrift des nächsten Bildes erzählt, ein Bischof habe das Blut in einem gläsernen Gefäß gefasst und an den Kaiser übergeben.
Eine ähnliche Darstellung ist in der Bricciuskapelle entlang des alten Säumerweges nach Salzburg zu finden. Auf dem Altar sieht man einen sechzehnteiligen Zyklus, der die Bricciuslegende in der Art einer Bildergeschichte erzählt. Auch hier wird der Inhalt mit kurzen Worten gedeutet:

"Da sticht ein Jud das Kruzifix, Ein Bürger der Stadt Examarirt den Jud (was wohl bedeutet, dass er ihn befragt), Da fassen sie das Hl. Blut.“

Detail des Altarbildes in de Bricciuskapelle (K. Einspieler)
Detail des Altarbildes in de Bricciuskapelle (K. Einspieler)


Ältere Überlieferungen einer vermeintlichen Kreuzesschändung durch Juden

Der Teil der Bricciuslegende, der von der Schändung eines Kreuzes bzw. Bildes durch einen Juden berichtet, findet sich bereits in der Legenda Aurea, entstanden um 1265. Jacobus de Voragine überliefert zwei Legenden. Die erste, auf die sich die Bricciuslegende stützt, ist in Konstantinopel angesiedelt und berichtet von einem Juden, der die Hagia Sophia betrat und dort ein Bild Christi erblickte. Da er allein und unbeobachtet war, stach er mit einem Dolch in das Bild, und zwar Christus in die Kehle. Sofort trat aus dem Bild – so überliefert es die Legende – Blut aus. Voll Schrecken verließ der Jude die Kirche, warf das blutende Bild in einen Brunnen und floh. Auf seiner Flucht aber sprach den Juden, der mit Blut befleckt war, ein Christ an und warf ihm vor, einen Menschen umgebracht zu haben. Dieser leugnete, gestand seinen Frevel jedoch ein und pries die Macht des Gottes der Christen. Schließlich führte der Jude den Christen zum Brunnen. Das Bild wurde geborgen und der Jude wurde, so schließt die Legende, sogleich gläubig. Weiters berichtet Jakobus de Voragine von einer Legende, die ihren Ursprung in Beirut hat. In einem Haus, das vorher einem Christen gehört hatte und dann von einem Juden gemietet worden ist, befand sich ein Bild des gekreuzigten Herrn, welches der christliche Vorbesitzer aus Vergesslichkeit zurückgelassen hatte. Bei einem Gastmahl machten jüdische Gäste den Hausherrn auf das Bild aufmerksam. Erschrocken meinte der Jude, dass er das Bild bislang nicht beachtet habe. Die Gäste gaben sich mit dieser Erklärung zufrieden, berichteten davon aber den Vorstehern. Daraufhin versammelten sich die Juden vor dessen Haus, misshandelten ihn schwer und wiederholten am Bild die Schmähungen, die Jesus bei der Passion zugefügt worden waren. Sie stachen mit einer Lanze in das Bild, trafen die Seite Christi und sogleich, so berichtet die Legende, flossen Blut und Wasser heraus. Die Flüssigkeit wurde in einem Gefäß aufgefangen und in die Synagoge gebracht. Alle Kranken wurden mit diesem Blut behandelt und sogleich geheilt. Die Juden aber berichteten davon dem Bischof des Landes und ließen sich taufen. Diesen beiden Legenden wiederum liegen ältere Überlieferungen zugrunde, die zumindest bis ins 6. Jahrhundert zurückreichen. So findet sich in der Weltchronik von Sigebert von Gembloux aus dem Jahr 1111 eine Kurzfassung der Legende von Beirut. Die älteste zugängige Fassung dieses Motivs hat Gregor von Tours (538-594) überliefert. Er berichtet von einem Juden, der in einer Kirche – eine Ortsangabe fehlt – ein Kreuzesbild schändete, das sofort zu bluten begann. Voll Panik versteckte er es in seinem Haus. Die Christen merkten jedoch das Fehlen des Bildes und machten sich auf die Suche danach. Die Blutspuren führten sie zum Haus des Juden. Schließlich wurde das Bild im Haus gefunden und wieder in die Kirche zurückgebracht. Der Dieb aber wurde gesteinigt.

Grundlagen des Motivs der Schändung eines Bildes

Nun stellt sich die Frage, woher das Motiv der Schändung eines Bildes stammt. Den historischen Hintergrund dafür bildet wohl die Auseinandersetzung darüber, ob das Heilige, ob Christus, der Sohn Gottes, bildhaft dargestellt werden darf. Denn ausgehend vom jüdischen Bilderverbot war eine bildhafte Darstellung Gottes zunächst auch bei Christen verboten. Im Osten aber gewinnen im 6. und 7. Jahrhundert Christusbilder immer mehr an Bedeutung. Aus ihnen entwickelt sich schließlich die Ikone. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass das auf dem Bild Dargestellte in unmittelbarer Verbindung mit der Wirklichkeit steht, die zu sehen ist. Eine besondere Form dieser Ikonen waren sogenannte Acheiropoieta (übersetzt: nicht von Hand gemacht). Dabei handelt es sich um Bildnisse, die der Überlieferung nach übernatürlichen Ursprungs waren und als wundertätig verehrt worden sind. So gibt es Berichte, dass diese Bilder Öl oder Tau abgegeben haben sollen. Durch das Auftragen dieser besonderen Flüssigkeiten sei es zu Heilungen gekommen. Damit sind die beiden Motive – der Juden angedichtete Frevel an einem Christusbild und der Austritt von Blut – benannt: Zum einen wurde das aufrechte jüdische Bilderverbot für christliche Bildbefürworter zunehmend zum Ärgernis. Der berichtete Austritt von Blut aus einem geschändeten Bild wiederum ist vermutlich von der Wirkmächtigkeit der Acheiropoieta inspiriert. Der Abschnitt von der Schändung des Kreuzes in der Bricciuslegende schildert also kein geschichtliches Ereignis. Der Wunsch nach einem Beweis der Wirkmacht Christi im Sinne der Acheiropoieta wird vielmehr mit der Unterstellung verknüpft, Juden hätten ein Sakrileg begangen.

Die Bedeutung des Blutes Christi

In einem nächsten Schritt ist zu fragen: Was soll mit dem Zeichen des Blutes (Christi) eigentlich zum Ausdruck gebracht werden? Das Buch Genesis erzählt, dass sich ursprünglich alle Geschöpfe pflanzlich ernährt haben (Gen 1,29-30). Erst in der Sintfluterzählung, die man als zweite Schöpfungsgeschichte bezeichnen kann, erlaubt Gott auch den Genuss von Fleisch. Ausdrücklich ausgenommen ist der Blutgenuss, da Blut mit Leben gleichzusetzen ist (Gen 9,4). Daran knüpft das Apostelkonzil an, das Heiden, die sich zu Christus bekehren, den Blutgenuss ebenfalls verbietet (Apg 15,20). Blut ist also der Sitz des Lebens, nur Gott kann darüber verfügen. Mose besprengt die Israeliten mit dem Blut von Opfertieren und vollzieht so den Bundesschluss (Ex 24,8). Daran knüpft Jesus beim letzten Abendmahl an. Der Bund, von dem er spricht, ist also der erneuerte Sinaibund. Bei Matthäus kommt ein weiteres Motiv hinzu. Gemäß dem Buch Levitikus bewirkt Blut auch die Reinigung, Heiligung und Versöhnung (Lev 16,14-19). So bezeichnet auch das Blut des von Jesus geschlossenen Bundes die Vergebung der Sünden (Mt 26,27). In der Apokalypse wird dies auf paradoxe Weise ins Bild gebracht, wenn es von den Erlösten heißt, sie hätten ihre Gewänder gewaschen und im Blut des Lammes weiß (!) gemacht (Offb 7,14). In diesem Sinne ist das Blut der Kaufpreis der Erlösung. Der Löser ist im Alten Testament verpflichtet, die Schuld von Angehörigen durch den Einsatz eigener Mittel zu begleichen und sie bzw. ihre Habe freizukaufen. In diesem Sinne hat Christus den höchstmöglichen Einsatz – sein Blut und damit sein eigenes Leben – geleistet (1 Petr 1,18-19). Er hat mit seinem Blut die Erlösung und Reinigung bewirkt (Hebr 9,12.14). Freilich gehen die biblischen Texte nicht von einer magischen Wirkung des Blutes Christi aus. Es steht für Jesus Christus als Person mit besonderem Augenmerk auf sein Leiden und Sterben. In dieses Geschehen wird der Glaubende im eucharistischen Mahl hineingenommen. Für Paulus ist der Kelch des Segens Teilhabe am Blut und damit wohl auch am Leben Christi, das die Hingabe desselben einschließt (1 Kor 10,16). Für Johannes ist das Essen des Fleisches (Leibes) Christi und das Trinken seines Blutes sogar der entscheidende Akt des Glaubens, um das ewige Leben zu erlangen, in sein göttliches Leben hineingenommen zu werden (Joh 6,53-56). Dies ist eine klare Absage an Strömungen am Ende des ersten Jahrhunderts, die in Abrede stellen, dass der Sohn Gottes tatsächlich gelitten hat. Aus der Seite des Gekreuzigten fließen laut Johannes Blut und Wasser (Joh 19,34). Sie stehen einerseits für den physischen Tod Jesu, andererseits aber lädt die Symbolsprache des Evangeliums ein, mit den Augen des Glaubens zu erkennen, dass der am Kreuz erhöhte Sohn Gottes den Seinen Geist und Leben schenkt.

Die Problematik von Reliquien des Blutes Christi

Reliquien mit dem Blut Christi sind ein Versuch, der Geschichtlichkeit des Leidens Jesu nahezukommen und daran teilzuhaben. In einer Zeit, in der man als Gläubiger das Blut Christi in der Eucharistie nicht mehr empfangen konnte, vermitteln sie das Gefühl, an zentralen Momenten des christlichen Glaubens teilzuhaben. Das kommt der Schaufrömmigkeit des Mittelalters entgegen. Ab dem 13. Jh. stellte man das eucharistische Brot in Gefäßen, die jenen zur Verehrung von Reliquien ähnlich waren, zur Anbetung aus. Beim eucharistischen Blut war dies nicht möglich. Insofern waren Blutreliquien ein Ersatz dafür, obwohl sie nicht auf den historischen Jesus zurückgehen. Bis Anfang des 14. Jh. wird das Blut nämlich meist auf ein Bild Christi zurückgeführt, das Legenden folgend von einem Ungläubigen durchbohrt worden ist. Danach wurde es im Westen häufig mit einem Hostienwunder verbunden. Nicht selten identifizierte man die Ungläubigen in diesen Legenden mit Juden, um ihnen zu unterstellen, dass sie nicht davon ablassen, die Leiden, die sie dem Leib Christi in der Passion beigebracht haben, weiterhin zuzufügen. Dies entspricht jedoch weder der biblischen Überlieferung noch den Versuchen einer historischen Rekonstruktion des Prozesses und der Kreuzigung Christi. Vielmehr wurde damit pervertiert, wofür Christus gestorben ist, „der Frieden gestiftet hat am Kreuz durch sein Blut“ (Kol 1,20). Anstatt sich der eigenen Schuld und Erlösungsbedürftigkeit zu stellen, haben Christen ihre Aggression gegen Jüdinnen und Juden gerichtet und so schwere Schuld auf sich geladen.

Die Verehrung des Blutes Christi heute

Die Verehrung des Blutes Christi erfolgt seit der Kalenderreform des 2. Vatikanischen Konzils nicht mehr an einem eigenen Fest am 1. Juli, sondern gemeinsam mit der Verehrung des Leibes Christi am Fronleichnamsfest. Eine Frömmigkeit, die den geistlichen Wert des Blutes Christi zu erschließen sucht, wird heute jedoch nicht bei einer Blutreliquie, sondern beim Empfang der Kommunion unter der Gestalt des Blutes Christi ansetzen. Gemäß ältester Überlieferung ist es nämlich die Feier der Eucharistie, die Glaubende an der Hingabe Christi teilhaben und durch Werke der Nächstenliebe Frucht bringen lässt. Daher wird seit der letzten Liturgiereform der Empfang der Kommunion unter beiden Gestalten gefördert. Besonders in Orten wie Heiligenblut könnte eine regelmäßige Kommunionpraxis dieser Art helfen zu vertiefen, worauf Papst Franziskus in seinem Schreiben Evangelii gaudium (Freude des Evangeliums) hinweist. Für den Papst wird seit der Menschwerdung des Sohnes Gottes jeder Mensch zum Herzen Gottes erhöht und durch das Vergießen des Blutes Christi am Kreuz geadelt (EG 178). Diese geistliche Adelung beinhaltet nach Papst Benedikt XVI. auch eine soziale Komponente: „Die Vereinigung mit Christus ist zugleich eine Vereinigung mit allen anderen, denen er sich schenkt“ (Deus caritas est, 14). Der Empfang des Blutes Christi bietet demnach einen Vorgeschmack der Gemeinschaft aller Menschen, stiftet Solidarität und lässt etwas von dem Heil erfahren, das Gott für den Menschen in Vollendung bereithält.

Ein möglicher Weg aus dem Dilemma

Blutreliquie von Heiligenblut (K. Einspieler)
Blutreliquie von Heiligenblut (K. Einspieler)

Im Blick auf die Blutreliquie von Heiligenblut stehen wir also vor einem Dilemma. Einerseits ist sie tief in der Volksfrömmigkeit verwurzelt, hat dem Ort den Namen, eine Identität und ein Juwel gotischer Baukunst beschert, andererseits haften an ihr Schatten einer antijüdischen Vergangenheit. Sie haben ihren Ursprung zwar nicht am Ort, haben jedoch in der Bricciuslegende und in Kunstwerken einen Niederschlag gefunden. Einen ersten Anhaltspunkt für die Lösung dieses Dilemmas liefert die Bricciuslegende selbst. Die Erzählung von jenem Mann, der nahe Heiligenblut ums Leben gekommen ist und hier wie ein Heiliger verehrt wird, kommt auch ohne das Motiv der Kreuzesschändung in der Sophienkirche in Konstantinopel aus. Dieses wurde als Zitat aus der Legenda aurea in die örtliche Heiligenlegende eingeführt, um die Herkunft der Reliquie zu erklären. Sie bot aufgrund der großen Verbreitung im Mittelalter zudem die ideale Möglichkeit, den Kult der Blutreliquie zu etablieren. Heute wissen wir, dass ihre Inhalte nicht auf historische Tatsachen zurückzuführen sind. Dieser Teil der Bricciuslegende ist also ein tragisches Dokument mittelalterlicher Judenfeindlichkeit, auf den hinzuweisen, der aber nicht weiter zu verbreiten ist. In manchen zeitgenössischen Fassungen der Sage wurde der Jude durch einen Ungläubigen ersetzt. Wir plädieren dafür, diesen Abschnitt künftig als sekundäres Element der Geschichte nicht mehr zu tradieren. Für die Frage nach der Herkunft der Reliquie bietet dieser Teil der Legende ohnehin keine taugliche Erklärung. Denn in der Mitte der Monstranz befindet sich ein gläsernes Balsamarium (= kleines amphorenförmiges Gefäß), das weit älter als die Bricciuslegende ist und wohl aus der römischen Antike stammt. Der Ursprung der Reliquie bleibt also geheimnisvoll. Bis in unsere Zeit werden Reliquien von Splittern des Kreuzes Christi, der Dornenkrone oder von Blutstropfen, die der Überlieferung nach auf die Kreuzigung zurückgehen, aufbewahrt und verehrt. Sie können Menschen über das Dingliche ins Geistliche führen. Die genaue Herkunft der Reliquie von Heiligenblut wie aller anderen Reliquien aus biblischer Zeit wird sich wohl nie restlos klären lassen. Ihre Herkunft ist also das eine, die Bedeutung, die man ihnen beigemessen hat, das andere. Für die Reliquie aus Heiligenblut bedeutet dies, dass sich Menschen anhand dieses Gegenstandes seit mehr als sieben Jahrhunderten auf Christus und das Werk seiner Erlösung ausgerichtet und daraus offensichtlich Trost und Hoffnung geschöpft haben. Das ist ihr bleibender Wert. Dafür braucht es keiner fragwürdigen Erklärung über die Herkunft, in der Juden des Sakrilegs bezichtigt werden. Im Gegenteil, sie stellen eine tragische Sackgasse mit furchtbaren Folgen dar. Heute ist diese Sichtweise überholt. Eine Frömmigkeit, die den geistlichen Wert des Blutes Christi zu erschließen sucht, wird an erster Stelle die Kommunion unter beiden Gestalten pflegen. Das Sakrament der Eucharistie, der Kelch mit dem eucharistischen Blut Christi, verbunden mit dem Auftrag: „Trinkt alle daraus“ (Mt 26,27) ist der Königsweg, um an der Lebenshingabe Christi teilzuhaben. Eine Blutreliquie kann ergänzend dazu auf die Bedeutung dieses Geschehens hinweisen. Sie ruft uns aber auch in Erinnerung, dass Juden im Laufe der Geschichte wie ihr Bruder Jesus Opfer von Verleumdung, Gewalt und Verfolgung geworden sind und mahnt uns zur Sensibilität gegenüber allen Formen von Diskriminierung und Unterdrückung.