Was lässt mich hoffen?
Überlegungen zum Heiligen Jahr 2025

Hoffnung feiert eine Renaissance, und zwar nicht nur, weil Papst Franziskus im Heiligen Jahr 2025 dazu einlädt, Pilger der Hoffnung zu sein. In Publikationen wird Hoffnung als eine im Menschen verankerte Ressource gepriesen und in Vorträgen und politischen Kommentaren wird sie – angesichts multipler Krisen – als positive Einstellung förmlich eingefordert. Doch so einfach ist es wohl nicht. Denn es entspricht dem Wesen von Hoffnung, dass sie sich nicht dingfest machen lässt. Deshalb möchte ich mich ihr von mehreren Seiten nähern und dies schließlich mit Aussagen von Papst Franziskus zur Hoffnung in Verbindung bringen. Beginnen möchte ich mit der Frage nach dem Ursprung der Hoffnung. Eine erste Antwort darauf habe ich in der griechischen Mythologie gefunden.
Ein Übel kommt selten allein
Alles beginnt mit einer List des Prometheus auf die der Göttervater Zeus hereinfällt. Dafür wird er sich an den Menschen rächen. So bildet er, nach dem Vorbild der Aphrodite, eine wunderschöne Frau, Pandora. Ihr gibt er als „Geschenk“ für die Menschen eine Büchse mit, in der sich alle nur erdenklichen Übel befinden und die Hoffnung. Pandora verführt nun den Bruder des Prometheus, Epimetheus. Anders als Prometheus, der entsprechend seinem Namen ein Vorausdenkender ist, ist Epimetheus ein Hinterher-Denkender, also einer, der zuerst handelt und dann erst denkt. So schlägt er auch die Warnung von Prometheus, dass man von den Göttern keine Geschenke annimmt, in den Wind, heiratet Pandora und öffnet die Büchse. So kommt es, wie es wohl kommen musste: der Büchse entweichen alle Übel. Nur die Hoffnung bleibt am Boden der Büchse zurück.
Hoffnung - richtig dosiert
Prometheus schließt die Büchse, nimmt sie zu sich und wacht fortan darüber, dass die Hoffnung nur in geringen Dosen entweichen kann. Die Begründung dafür liefert Michael Köhlmeier in seinem „Großen Sagenbuch des klassischen Altertums“, wenn er schreibt: „Die Hoffnung ist ein starkes Medikament. In reiner, unverdünnter Form kann sie uns schaden. Deshalb achtete Prometheus darauf, dass die Hoffnung nicht ohne die Erinnerung eingenommen würde.“ Denn Erinnerung erdet menschliche Hoffnung und bewahrt sie davor, sich in Illusionen zu verlieren.
Über das „Übel“ Hoffnung
Für Friedrich Nietzsche hingegen ist es nicht von ungefähr, dass sich in der Büchse der Pandora neben all den Übeln auch die Hoffnung befindet. Denn für ihn stellt auch sie eine der Übel dar, mit denen Zeus sich an den Menschen rächt. In „Menschliches Allzumenschliches“ bezeichnet er demnach die Hoffnung auch als das übelste aller Übel, weil „der Mensch, auch noch so sehr durch die anderen Übel gequält, doch das Leben nicht wegwerfe, sondern fortfahre, sich immer von Neuem quälen zu lassen.“ Für Nietzsche stellt die Hoffnung nicht eine Kraft dar, die den Menschen aufrichtet, sondern eine pure Illusion. Sie ist wie eine Karotte, die uns vorgehalten wird und der wir ständig nachjagen, die wir aber nie erreichen. Durch die Hoffnung bleiben wir, so Nietzsche, gefangen in der Trostlosigkeit unserer Existenz.
Was darf ich hoffen?
Eine philosophische Annäherung an die Hoffnung findet sich bei Immanuel Kant, der nicht nur fragt „Was kann ich wissen?“, „Was soll ich tun?“ und „Was ist der Mensch?“, sondern auch „Was darf ich hoffen?“ Die Hoffnung ist für Kant der Religion zugeordnet. Wobei er nun nicht danach fragt „Was hoffe ich?“, denn die Antwort wäre „Glückseligkeit“, sondern „Was darf ich hoffen?“, im Sinne von, was darf ich legitimerweise erhoffen. Denn das Glück, so die Überzeugung des Philosophen, fällt dem Menschen nicht einfach zu. Er muss sich ihm als würdig erweisen, indem er die Gesetze und Normen befolgt und indem er sein Handeln aus einer inneren Haltung der Sittlichkeit vollzieht. Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, lässt sich die Frage wie folgt zuspitzen: „Werde ich dann, wenn ich mich als glückswürdig erwiesen habe, auch glückselig werden?“ Diese Frage macht deutlich: in der Hoffnung steckt ein Versprechen, das sich allein durch menschliche Kraftanstrengung nicht einlösen lässt.
Alle hoffen
In seiner Verkündigungsbulle zum Heiligen Jahr 2025 „Spes non confundit“ (= Die Hoffnung lässt nicht zugrunde gehen) verankert Papst Franziskus die Hoffnung im 5. Kapitel des Römerbriefes.„Die Hoffnung lässt nicht zugrunde gehen; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist“ (Röm 5,5). Bevor der Papst diesen Vers erschließt, hält er ganz grundsätzlich fest: „Alle hoffen. Im Herzen eines jeden Menschen lebt die Hoffnung als Wunsch und Erwartung des Guten, auch wenn er nicht weiß, was das Morgen bringen wird“ (Spes non confundit, Nr. 1). Dieses Gute, verstanden als das gute Leben, bietet durchaus Anklänge an die „Glückseligkeit“, die für Kant Ausdruck der Hoffnung ist.
Ursprung christlicher Hoffnung
In einem weiteren Schritt gibt nun auch der Papst an, worin der Ursprung der Hoffnung zu sehen ist: „Die Hoffnung wird nämlich aus der Liebe geboren“ (Spes non confundit, Nr. 3). Liebe versteht der Papst hier als das Geschenk, sich ganz und gar angenommen zu wissen und als die Gabe, jemand anderen ganz und gar anzunehmen. Darin sieht der Papst das Wesen der Hoffnung, das Gute zu wünschen und zu erwarten, grundgelegt. Nur wer geliebt und wer liebesfähig ist, vermag zu hoffen. Oder negativ gewendet: wer sich der Liebe verschließt, lebt hoffnungslos. Denn erst die Erfahrung des Geliebtwerdens und des Liebens weckt in uns die Hoffnung, dass sich das Gute im Leben erfahren lässt und letztlich die Oberhand gewinnen wird.
Hoffnung ist auch ein Imperativ
Christliche Hoffnung ist keine Fessel, die den Menschen in Passivität hält, wie dies Nietzsche anprangert, und sie ist auch keine haltlose Illusion, dass schon irgendwann und irgendwie alles besser werden wird. Vielmehr sind für Papst Franziskus Krieg, Armut, Perspektivenlosigkeit junger Menschen und Migration Zeichen der Zeit, die danach verlangen, in Zeichen der Hoffnung verwandelt zu werden. Dies erfordert Einsatz und Engagement. So fordert der Papst: „Wenn wir wirklich den Weg für den Frieden in der Welt ebnen wollen, sollten wir uns dafür einsetzen, die Grundursachen der Ungerechtigkeit zu beseitigen, ungerechte und nicht zurückzahlbare Schulden erlassen und die Hungernden sättigen“ (Spes non confundit, Nr. 16).
Anker der Hoffnung
Damit christliche Hoffnung zur Triebfeder der Veränderung werden kann, braucht sie, so Papst Franziskus, eine Verankerung in der Heiligen Schrift. Denn in den oft unruhigen Gewässern des Lebens vermittelt das Wort Gottes Stabilität und Sicherheit, lässt uns über die Prüfungen hinauswachsen und ermutigt uns, weiterzugehen.