Synodal leben - Neuer Speiseplan für Petrus
IV. Feiern
Mit dem vierten Themenfeld seines Vorbereitungsschreibens für den synodalen Prozess rückt Papst Franziskus die Feier der Eucharistie ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Sie ist für ihn entscheidend, damit ein „gemeinsames Gehen“ überhaupt möglich wird. Doch steht die Heilige Messe für ihn nicht isoliert dar, vielmehr soll sie Entscheidungen inspirieren und sich auf die Gestaltung kirchlichen Lebens auswirken. Dies ist aber, so der Papst, nur möglich, wenn sich an diesem Feiern alle Gläubigen aktiv beteiligen und ihre Aufgabe im Heiligungsdienst der Kirche wahrnehmen (können).
Feste feiern
Bevor wir uns der Feier der Eucharistie nähern, braucht es einen Blick darauf, was es bedeutet, ein Fest zu feiern. Für Walter Leimbgruber, Kulturphilosoph und Ethnologe, helfen Feste dem Menschen die Wirklichkeit zu bewältigen, mit „Mächten und Gewalten“ umzugehen und das Miteinander in der Familie oder Gruppe zu strukturieren. Feste haben sowohl etwas Entgrenzendes und Überschwängliches als auch etwas Kontemplatives und Ordnendes.
Feste stellen eine Zäsur im Alltag dar und heben die Menschen für eine begrenzte Zeit in eine andere Dimension ihres Daseins. (Walter Leimgruber)
Diese Erfahrung wirkt stärkend auf das Individuum und auf die Familie bzw. die Gruppe. In der Wiederholung einer vertrauten Feierform und zu einem von den Teilnehmenden akzeptierten Feieranlass wächst Verbundenheit und ermöglicht eine gemeinsame Deutung eines Ereignisses bzw. des Lebens insgesamt.
Die Feier der Eucharistie
Vergleichbar mit einer Overtüre, bringt die Konstitution über die Heilige Liturgie „Sacrosanctum Concilium“ (= Das Heilige Konzil) des Zweiten Vatikanischen Konzils gleich zu Beginn das Wesen der Liturgie und darin besonders der Heiligen Messe zum Ausdruck.
In der Liturgie (…) vollzieht sich das Werk unserer Erlösung, und so trägt sie in höchstem Maße dazu bei, dass das Leben der Gläubigen Ausdruck und Offenbarung des Mysteriums Christi und des eigentlichen Wesens der wahren Kirche wird. (SC 2)
Wer die Heilige Messe mitfeiert, erfährt im Hören auf das Wort Gottes und in der Feier der Eucharistie: der Tod im Leben und am Lebensende hat nicht das letzte Wort. Ich bin erlöst von der Angst vor dem Scheitern, dem Dunkel der Einsamkeit und dem Tod als endgültiges Aus, weil mir dort Christus begegnet, der am Kreuz dies selbst erfahren hat. Darin ereignet sich Wandlung und es wächst eine Stärke, die das Leben von Christinnen und Christen prägt. Dies strahlt in deren Lebensumfeld aus und macht deutlich, wofür Kirche steht und wozu es sie braucht.
Die Vision des Petrus
Bereits seit den Ursprüngen der Kirche ist jedoch klar, dass es sich dabei nicht um eine Einbahnstraße handelt. Ein Beispiel dafür ist die Erfahrung, die Petrus in Joppe und Cäsarea zuteilwurde. Gegen Mittag, so berichtet die Apostelgeschichte, begibt er sich in Joppe auf das Dach des Hauses seines Gastgebers Simon, um zu beten. Dabei wird er in einer Vision aufgefordert unreine Tiere zu schlachten und zu essen. Als er dies als gesetzestreuer Jude ablehnt, entgegnet die Stimme:
Was Gott für rein erklärt hat, nenne du nicht unrein! (Apg 10, 15)
Diese Vision ist für Petrus eine Vorbereitung auf das nun Kommende. Denn der römische Hauptmann Kornelius lädt ihn in sein Haus nach Cäsarea ein. Damit verlässt Petrus den Boden des Vertrauten seiner religiösen und sozialen Herkunft. Was er dabei erfährt, hat weitreichende Folgen. Der Heilige Geist ist bei diesen Nicht-Juden bereits präsent und wirkt durch sie. So kommt er nicht umhin: er tauft sie und hält Mahl mit ihnen.
Christus im Elendsviertel
Martha Zechmeister, eine in San Salvador tätige Fundamentaltheologin, überträgt nun diese Erfahrung des Simon Petrus in unsere Zeit. So berichtet sie von einem Kreuzweg an einem Karfreitag durch ein Elendsviertel San Salvadors. Dabei wurde ihr schlagartig bewusst:
Wenn du jetzt nicht kapierst, dass der Gekreuzigte in diesen Menschen und ihrer Situation real präsent ist, dann (…) hat das Kreuz Jesu Christi keine erlösende Kraft für dich.
Für die Befreiungstheologen Lateinamerikas, so Martha Zechmeister, sind es die Armen, die Opfer, durch die Gott zu uns sprechen möchte.
Heiligung, die heilt
Mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil wird die Aufgabe des Heiligungsdienstes allen Gläubigen übertragen. Dabei werden die Laien, so das Dekret für das Laienapostolat, besonders das Gespräch mit anderen Menschen suchen und die Botschaft Christi kundmachen (AA 31). Papst Franziskus versieht diesen Dienst der Heiligung mit einem besonderen Akzent. So weist er im Apostolischen Schreiben „Gaudete et exsultate“ (= Freut euch und jubelt) darauf hin, wie Gott dem Menschen zu diesem Dienst ermutigt und wohin er ihn dabei führt:
Er bringt uns dorthin, wo die Menschheit am meisten verletzt ist und wo die Menschen (…) weiter die Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens suchen. (Gaudete et exsultate, 135)
Heiligung meint dann eine heilende Zuwendung, im Wissen, dass mir darin Gott selbst begegnet.
Ein Fest des Lebens
Wenn in dieser Weise das Leben der Menschen das Leben der Kirche prägt und in der Heiligen Messe Platz findet, wird, so Papst Franziskus, die Eucharistie zur Quelle und Inspiration für die Entscheidungen im Alltag der Mitfeiernden und der Kirche selbst. Dies erfordert die Bereitschaft der Gläubigen, sich und ihr Leben einzubringen. Nötig ist dazu aber
die Fähigkeit der Zelebranten, die Gläubigen in die Liturgie aktiv einzubeziehen und das Leben der Menschen zur Sprache kommen zu lassen. Dann kann eine Sonntagsmesse zu einem Fest werden, das den Alltag unterbricht und der Alltag zu einem Ort, an dem wir Gottes Präsenz wahrnehmen und so Menschen heilend begegnen können.