Organisation

Institut für kirchliche Ämter und Dienste

Eine Kirche in der Welt von heute

60 Jahre Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils

Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils (Peter Geymayer, Public domain, via Wikimedia Commons)
Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils (Peter Geymayer, Public domain, via Wikimedia Commons)

Die Erneuerung der Kirche im Zweiten Vatikanischen Konzil hat am 11. Oktober 1962, also genau vor sechzig Jahren, ihren Ausgang genommen. In seiner Eröffnungsrede „Gaudet mater ecclesia“ (= Es jubelt die Mutter Kirche), gibt Papst Johannes XXIII. dafür die Richtung vor. Das „Aggiornamento“, die Verheutigung des Glaubens, bewirkte, dass die Kirche sich ihrer Zeit öffnete und sich auf einen Weg einer umfassenden Erneuerung begab. Dieser Weg war in den letzten Jahrzehnten von pastoralen Aufbrüchen, von so manchen Überzeichnungen und von vermeintlichen „Rückschritten“ gekennzeichnet.

Synodalität als Prinzip

Mit Papst Franziskus, dem ersten Papst, der selbst nicht am Konzil teilgenommen hat, erfasst der Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils nun neu die Kirche. Dies zeigt sich unter anderem darin, dass Papst Franziskus auf den Glaubenssinn des Gottesvolkes setzt und die Getauften aktiv in Beratungen und Entscheidungsprozesse einbezieht. Im synodalen Prozess, der im Oktober 2023 in eine Bischofssynode münden wird, hat er dies zum Programm erhoben. Bischof Josef Marketz dienen die Haltung der Synodalität und die Rückmeldungen des synodalen Prozesses als Basis für einen Prozess einer Vertiefung und Weiterentwicklung der Katholischen Kirche Kärntens. Dabei durfte ich von Beginn an mitwirken und in einer Arbeitsgruppe die Rückmeldungen von ca. 3000 Menschen zu einer Grundorientierung zusammenführen.

Der Geist des Konzils

In den letzten Monaten ist mir der „Geist des Konzils“ auf ganz besondere Weise nahe gekommen. Denn in den Rückmeldungen begegnete mir ein tiefer persönlicher Glaube, ein Mitsorgen und Mitleiden mit der Kirche und die Erwartung, dass die Kirche heute die Botschaft Jesu lebt und erfahrbar macht. Wie sieht nun eine Erneuerung der Kirche im Jahr 2022 aus und was können wir dabei vom Zweiten Vatikanischen Konzil lernen? Vieles hat sich seit den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts geändert. Die Lektüre der Eröffnungsrede von Papst Johannes XXIII. macht aber auch deutlich: Es gibt Herausforderungen und Fragestellungen, die heute nicht anders sind als damals.

Aufbruch in der Kirche

Viele Menschen wünschen sich heute einen neuen Aufbruch in der Kirche. Die Kirche muss, so ihre Forderung, wieder auf die „Höhe der Zeit kommen“, damit die Botschaft des Evangeliums in unserer Zeit ankommen und wieder jüngere Menschen begeistern kann. Im Vorfeld des Zweiten Vatikanischen Konzils löste bereits die Ankündigung dieser ökumenischen Kirchenversammlung eine starke Reaktion aus. Darauf kommt Papst Johannes in seiner Eröffnungsrede zu sprechen, wenn er erzählt: „Zuerst habe ich fast unerwartet dieses Konzil im Geiste erwogen, dann habe ich es vor dem Kollegium der Kardinäle an jenem denkwürdigen 25. Januar 1959, dem Fest der Bekehrung des hl. Apostels Paulus, in eben jener St. Pauls-Basilika an der Via Ostia ausgesprochen. Sogleich wurden die Anwesenden durch eine plötzliche Bewegung des Geistes, wie vom Strahl eines überirdischen Lichtes berührt und alle waren freudig betroffen, wie ihre Augen und Mienen zeigten.“ Diese positive Aufnahme in der gesamten Welt veranlasst den Papst zu Überzeugung, dass die Kirche, „erleuchtet vom Licht des Konzils, (…) an geistlichen Gütern zunehmen und, mit neuen Kräften gestärkt unerschrocken in die Zukunft schauen“ wird.

Zeichen der Zeit

Das Konzil wird in der Pastoralkonstitution von Zeichen der Zeit sprechen, die aufzuspüren und im Lichte des Evangeliums zu deuten sind. In einer pluralen Gesellschaft, die zudem von Krisen erschüttert ist, fällt die Unterscheidung zwischen einem Trend und einem Zeichen der Zeit jedoch zunehmend schwer. Darauf geht der Papst nicht direkt ein. Sehr wohl macht er eine Spannung deutlich, die für ihn nicht auflösbar ist: „Die Kirche darf sich nicht vom Schatz der Wahrheit abwenden und muss zugleich der Gegenwart Rechnung tragen, die neue Umweltbedingungen und neue Lebensverhältnisse geschaffen hat.“ Es kommt also darauf an, die Gegenwart im Lichte der Tradition zu deuten und die Tradition aufgrund der Anforderungen der Gegenwart weiterzuentwickeln.

Einheit und Frieden

In einem weitgehend säkularen Umfeld stellt sich die Frage, was die Kirche in diese Gesellschaft einbringen kann und soll. Der zentrale Auftrag der Kirche liegt für den Papst in der Weitergabe der Botschaft, dass Gott „alle Menschen retten und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen lassen will“ (1 Tim 2,4). Die sichtbare Einheit in der Wahrheit hat aber, so der Papst weiter, leider die „christliche Familie“ noch nicht erreicht. Daher sei „es unsere Pflicht alles Erdenkliche zu tun, damit das große Mysterium der Einheit erfüllt werde, die Christus vor seinem Tod von seinem himmlischen Vater erfleht hat.“ Diese Einheit umfasst für Papst Johannes die Katholiken untereinander, das Miteinander mit den anderen christlichen Konfessionen und den respektvollen Dialog mit anderen Religionen. Die Erfüllung dieses Auftrages ist, trotz aller Fortschritte der letzten Jahrzehnte, aktueller denn je.

Erneuerung der Kirche

Für die Erneuerung der Kirche in Gegenwart und Zukunft braucht es wohl auch heute die Haltungen, die der Papst am Schluss seiner Rede von den am Konzil versammelten Bischöfen einfordert: „erhabener Friede des Geistes, brüderliche (heute: geschwisterliche) Eintracht, Mäßigung in den Vorschlägen, Würde in den Beratungen und weise Überlegungen.“ Zentral aber ist für den Papst das Vertrauen in Gottes Beistand. So lässt er seine Eröffnungsrede in folgendes Gebet münden:

„Allmächtiger Gott, auf dich setzen wir unser ganzes Vertrauen, da wir uns nicht auf unsere eigene Kraft verlassen können.“