Die Aufgabe des Königs
Theologische Fragmente im Spiegel der Corona-Pandemie
Das Christkönigsfest ist das jüngste Hochfest der katholischen Kirche. Eingeführt von Papst Pius XI. im Jahr 1925 anlässlich des Jubiläums 1.600 Jahre Konzil von Nikaia wurde es ursprünglich am Sonntag vor Allerheiligen gefeiert. Erst 1970 fand dieses Ideenfest seinen Platz am letzten Sonntag des Kirchenjahres. Das Bedürfnis dem Königtum Christi ein eigenes Fest zu widmen entwickelte sich aus der Herz-Jesu-Verehrung des 19. Jahrhunderts und dem Wunsch, mit dem Verweis auf die Herrschaft Jesu dem zunehmenden Säkularisierungsprozess einen Riegel vorzuschieben. Nach dem 2. Weltkrieg nahmen sich besonders kirchliche Jugendverbände dieses Festes an und machten darin ihre Zugehörigkeit zu Christus sichtbar. Im Anschluss an das 2. Vatikanische Konzil trat das triumphale Moment deutlich in den Hintergrund und wurde durch die Verheißung, dass Christus am Ende der Zeiten alles in allem sein wird, ersetzt.
In diesem Beitrag möchte ich eine weitere Dimension dieses Festes anleuchten und eine Brücke in unsere gegenwärtige Zeit des Lockdowns schlagen; davon am Ende mehr. Einsteigen möchte ich mit einem kurzen Hinweis zum Königsein aller Christinnen und Christen.
Von der Taufe an: Königin/König
In der Taufe werden Kleinkinder und zunehmend öfter auch wieder Erwachsene zu einem – wie die Kirchenkonstitution des 2. Vatikanums hervorhebt – „geistlichen Bau und einem heiligen Priestertum geweiht“ (LG 10). Diese Teilhabe der Gläubigen am Priestertum Christi umfasst auch die Dimension des Königlichen und Prophetischen. So erschließt der Priester oder Diakon in der Taufliturgie die Salbung mit Chrisam mit den Worten:
Du bist Glied des Volkes Gottes und gehörst für immer Christus an, der gesalbt ist zum Priester, König und Propheten in Ewigkeit.
Im Galaterbrief verwendet Paulus für dieses zu „Christus-gehören“ das Bild von einem Kleid, das dem Menschen quasi zur zweiten Haut geworden ist: „Ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus angezogen.“ (Gal 3,26). Was bedeutet es nun aber für Getaufte als Königin bzw. König zu leben?
Die Aufgabe des Königs/der Königin
Das Königsein Jesu begegnet am deutlichsten in seiner Passion. So antwortet Jesus auf die Frage des Pilatus, ob er der König der Juden sei: „Mein Königtum ist nicht von dieser Welt.“ (Joh 18,36). In einer Auslegung dieses Verses weist der Heilige Augustinus auf die Bedeutung des Wörtchens „von“ hin. Denn Jesu Königreich liegt nicht anderswo, es ist qualitativ anders. Jesus nimmt es nicht mit irdischen Königen auf, ringt nicht um Macht und Einfluss und ist nicht bestrebt sein Herrschaftsgebiet auszuweiten. Vielmehr scheint er, so Augustinus, allen Machthabern zurufen zu wollen:
Kommt in das Reich, das nicht von dieser Welt ist. Kommt im Glauben, statt in Furcht zu wüten.
Dieses Königreich lässt sich nicht an äußeren Zeichen erkennen, sondern es ist mit Jesus selbst präsent geworden und bereits mitten unter uns (Lk 17,20f). Jesus lädt ein, sich in diese neue Wirklichkeit hereinnehmen zu lassen und zwar indem er jeden und jede annimmt, wie er bzw. sie ist. Doch damit nicht genug. In seiner Königsherrschaft geht Jesus noch einen Schritt weiter. So schärft Paulus den Korinthern ein: „Das Törichte in der Welt hat Gott erwählt, um die Weisen zuschanden zu machen, und das Schwache in der Welt hat Gott erwählt, um die Starken zuschanden zu machen“ (1 Kor 1,27). Darin liegt die Aufgabe des Königs bzw. der Königin: aufmerksam zu sein auf das Kleine, Schwache und Hilflose – in sich selbst und im Nächsten.
Die AUF-gabe des Königs/der Königin
Diese Aufgabe kann Jesus aber nur erfüllen, indem er es aufgibt, anderen seine Vorstellungen aufzuzwingen und mit Gewalt seinen Ideen zum Durchbruch zu verhelfen. Das heißt nun aber nicht, dass seine Worte nicht auch leidenschaftlich fordernd, warnend und messerscharf sein können. Dies wird besonders in den so genannten Endzeitreden deutlich, wenn Jesus eindringlich darauf hinweist, dass sich jeder zu entscheiden habe, ob er bzw. sie den Weg des Unheils oder des Heils einschlägt (s. Mt 25,14-30). Dieser Weg aber kann niemandem aufgezwungen werden. Erst sehr spät – für manche vielleicht zu spät – hat die Kirche dies begriffen: der Glaube lässt sich nicht anordnen und schon gar nicht mit Gewalt durchsetzen, sondern nur anbieten. Diese dunkle Seite kirchlicher Verkündigung macht Gottfried Bachl in seinem Buch „Der schwierige Jesus“ sichtbar. Dabei legt er Kapitel für Kapitel ein Jesus-Bild frei, das aus dem bisherigen Rahmen fällt. Denn der „winzige“, „nackte“ und „hässliche“ Jesus eignet sich nicht zur Untermauerung kirchlicher und schon gar nicht weltlicher Herrschaft. Erst wenn man Jesus in seiner Nacktheit sieht, so Bachl, wird deutlich, was ihn ausmacht. Dies wird unter anderem in der Taufe Jesu im Jordan erfahrbar. In seiner Blöße findet Jesus einen direkten Draht zu Gott:
Für die Gegenwart Gottes ist die nackte Menschengestalt genug, nicht nur genug, sondern geradezu die einzige Form.
Vor Gott können wir uns nicht größer und bedeutender machen als wir sind, sondern es kommt darauf an, dass wir ihm so begegnen wie wir sind.
Die Auf-GABE des Königs/der Königin
Die erste königliche Gabe Jesu ist der Heilige Geist. Diesen verheißt er vor seinem Tod am Kreuz und diesen gibt der als der Auferstandene den Jüngerinnen und Jüngern weiter. Er ist wie ein Feuer, das die Hoffnung am Brennen hält: wer mir folgt, wird alle Stürme des Lebens überstehen und sein/ihr Ziel – die Gemeinschaft im dreieinen Gott – sicher erreichen. Heruntergebrochen in unseren Lockdown-Alltag könnte dies bedeuten: versuche nicht alles aufrecht zu erhalten, klammere dich nicht an das, was sein müsste und jetzt nicht möglich ist. Lege diese Erwartungen ab, riskiere es darauf zu verzichten – nicht zähneknirschend sondern bewusst. Denn vielleicht braucht es diese Leere, damit Platz wird für (eine neue) Fülle.