Beichten neu entdecken – Praktische Hinweise
Von der "Beichte" zum "Sakrament der Versöhnung" - Auseinandersetzung und Neubesinnung - Folder für Pfarren und Gruppen
Belastende Erinnerungen
Das Wort „Beichte“ weckt in vielen Erwachsenen düstere Erinnerungen. Der dunkle Beichtstuhl. Wie unangenehm ist es, dem Priester seine Fehler zu bekennen. Peinliches Nachfragen, früher vor allem im Sextum. Und wozu beichten, wenn ich es auch allein regeln kann? Auch mit Gott kann ich es allein ausmachen…
War noch vor ein, zwei Generationen das „häufige Beichten“ unter gläubigen Katholiken eine Selbstverständlichkeit, so scheint Beichte gegenwärtig fast nur für die Vorbereitung der Erstkommunion-Kinder und in vielen Pfarren bei Schulbeichten praktiziert. Und das Vorbild der Erwachsenen für die Kinder?
Versöhnung und innere Heilung
Nicht wenige gibt es, die mit Überzeugung sagen, dass sie nicht wüssten, was sie beichten könnten. „Halt so die Fehler, die man alltäglich hat.“ Oder es werden die Schwächen angeführt, die sich in der religiösen Praxis zeigen: „Beim Gebet unandächtig gewesen. Nicht immer am Sonntag die hl. Messe besucht. Manchmal geflucht, zornig und lieblos gewesen.“
Wer ehrlich in sich hineinspürt, wird konkrete Erfahrungen erkennen, in denen er/sie wissend unrecht getan oder gekränkt hat. Nicht selten werden die Gebote Gottes „auf harmlos zurecht gerückt“, sodass es eben „menschliche Schwäche“ ist, wenn wir uns darüber hinweggesetzt haben. Wir entschuldigen uns, dass es eben „üblich ist und man allgemein so denkt und handelt“. Aber unser Gewissen möchte über unser Tun nicht leicht zur Ruhe kommen.
Wir spüren auch, wenn wir von anderen verletzt, gedemütigt und unrecht behandelt wurden. Es schmerzt und hartnäckig tragen wir es dem „Schuldigen“ nach. Die Beziehung ist angeknackst oder gar tief gestört. Aber dass wir verzeihen könnten, ja sollten… „Das kann niemand von mir verlangen.“
Innere Wunden, die nach Heilung sich sehnen. Es gibt den „inneren Müll“, der gut und geordnet „entsorgt“ werden sollte.
Ein erster Schritt
Dieser Schritt fällt immer wieder schwer: nämlich zum eigenen Versagen und zu seinen Fehler stehen - ehrlich eingestehen und nicht leichtfertig auf andere abschieben, dass zumindest ein Anteil besteht am Unrecht, am Bruch in einer Beziehung, am Fehlverhalten sich selbst gegenüber, an mancher „Süchtigkeit“. „ICH habe meine Schuld daran…“ und dazu stehen.
Oft kann diesem Schritt als nächster folgen, dass ich den Fehler versuche wieder gut zu machen, dass ich um Verzeihung bitte und wieder die Hand reiche. Wie befreiend und heilsam wird es erlebt, wenn vergeben wird, das heißt: wenn nichts mehr nachgetragen und nichts mehr vorgehalten wird. Vergangenes ist vergangen.
Dem barmherzigen Gott begegnen
Wenn wir zum Sakrament der Versöhnung gehen und die Vergebung der Sünden erbitten, so ist darin wesentlich und bedeutsam, dass es um die Begegnung mit dem barmherzigen Gott geht. Wir glauben, dass Gott die Liebe ist; in seiner totalen Liebe ist Er immer auch der Barmherzige.
Dieser Glaube führt zum Sakrament der Versöhnung; dieses Vertrauen, dass durch den Priester diese Barmherzigkeit zugesagt und dem Sünder, der Sünderin ganz und gar vergeben wird.
Wenn ich das Sakrament der Versöhnung empfangen will, frage ich mich immer wieder: „Glaube ich an diese überaus weite Barmherzigkeit Gottes?!“
Bei der „Beichte“ ist allzu sehr das „Bekenntnis“ im Vordergrund. „Was sage ich und wie sage ich es?“ Eine ehrliche, selbstkritische Bestandsaufnahme ist erforderlich und Voraussetzung, um ehrlich mich neu auf Gott und auf die Nächsten auszurichten. Sonst bleibt es ein vages, unverbindliches „sich bessern wollen“.
Umkehr und Heimkehr
Wer ehrlich, sehr konkret „umkehren“ will und um Vergebung bittet, dem wird vergeben. Er / sie bringt mit dieser Bitte um Vergebung zum Ausdruck: „Ich glaube und vertraue auf die Barmherzigkeit Gottes.“ Er will mit der Vergebung mich aufrichten, innerlich heilen und mir für den weiteren Weg Mut zusprechen.
Unvergleichlich deutlich wird Gottes Bereitschaft zur Vergebung in der Erzählung Jesu vom Vater, von dem sich der eine Sohn völlig lossagt, in die Fremde zieht, aber mehr und mehr in den Sumpf des Lebens gerät. Der Vater hat jedoch seine Liebe zu seinen Kindern nie zurückgenommen. Als der „verlorene Sohn“ sich daran erinnert, gibt es ihm die Kraft wieder nach Hause zurückzukehren. Und er erlebt, wie ihm der Vater mit offenen Armen entgegenkommt, keine Vorwürfe, einzig die Freude, dass der Sohn umgekehrt und wieder zum Vater zurückgefunden hat. (vgl. Lukas-Evangelium 15. Kap.)
Von der „Beichte“ zum „Sakrament der Versöhnung“
Neu entdecken dürfen wir den Schatz, der uns im Sakrament der Versöhnung angeboten ist. Dazu gilt, nicht erst auf große, erschreckende Fehltritte zu warten. Auf seine konkreten Fehler schauen und sie eingestehen, ermöglicht ein inneres Wachsen und Reifen als Mensch und Christ/in. Wir dürfen und können wachsen in den Grundhaltungen des Glaubens, Liebens und Vertrauens, wachsen im freudigen, friedvollen Miteinander, im Einsatz unserer Fähigkeiten und „Talente“ – und im Einsatz, dass unsere Welt und die Kirche eine lebenswertere Welt werden.
Wie das Sakrament der Versöhnung empfangen – zur Praxis für Erwachsene
Wer mit der Praxis des Beichtens mehr oder weniger bei der Erstbeichte geblieben ist, darf sich nicht wundern, wenn das nicht mehr passt. Auch das Gewand, das wir zur Feier der Erstkommunion getragen haben, passt nicht mehr für einen Heranwachsenden und Erwachsenen.
(1) Wie ehrlich und selbstkritisch kann und will ich mein Leben, mein Tun und Verhalten sowie mein Reden anschauen?
Mir dafür die Zeit nehmen – und mich selbst mit meinem Leben ernst nehmen. (Nicht nur so im Vorübergehen in einen Beichtstuhl huschen.)
Was sind meine verschiedenen Lebens- und Arbeitsbereiche und wie lebe ich in ihnen? Was tut mir leid? Was hätte anders sein können und sollen? Worauf möchte ich in Zukunft mehr achten und darin wachsen? – Mich ausdrücklich in Gottes Gegenwart wissen und mein Gewissen vor ihm und mit ihm ansehen. Betend, im Zwiegespräch mit Gott oder Jesus mein Leben beleuchten.
(2) Die Gelegenheit für den Empfang des Sakramentes wahrnehmen oder einen Priester darum bitten. Ein Gespräch kann hilfreich sein, um sich selbst besser zu erkennen und zu verstehen.
Am Ende des klärenden Gesprächs kann zusammenfassend gesagt werden, was ich als mein Versagen bekenne und zu meiner „Schuld“ zähle.
(3) Ein Rahmen für das Bekenntnis und die Bitte um Vergebung kann sehr hilfreich sein.
Begrüßung: GELOBT SEI JESUS CHRISTUS.
Der Priester gibt den Segen: IM NAMEN DES VATERS UND DES SOHNES UND DES HL. GEISTES. AMEN
Beginnen in eigenen Worten, etwa: „ICH MÖCHTE MEINE FEHLER / MEIN VERSAGEN / MEINE SCHULD BEKENNEN UND UM DAS SAKRAMENT DER VERSÖHNUNG BITTEN….“
Sinnvoll ist, zu erwähnen, wann zuletzt das Sakrament empfangen wurde; dann auch ein wenig die persönliche Lebenssituation umschreiben. In eigenen Worten das Bekenntnis ausdrücken – wie es in der vorbereitenden Besinnung bedacht wurde.
(4) Abschließend zum Bekenntnis ausdrücklich von seiner Reue sprechen.
Ein kurzes Reuegebet kann hilfreich sein, etwa in Worten wie:
GUTER VATER, DU HÖRST NIE AUF, MICH ZU LIEBEN. DU LIEBST MICH AUCH; WENN ICH BÖSES GETAN HABE.
DU HAST MIT MIR ERBARMEN. ES TUT MIR LEID. BITTE, VERZEIHE MIR. ICH WILL MICH BESSERN. AMEN
Oder damit schließen: ICH BITTE GOTT UND DIE GEMEINSCHAFT UM DIE VERGEBUNG MEINER FEHLER UND SÜNDEN.
(5) Der Priester wird manche Ermutigung zusprechen, vielleicht auch in einem kurzen Gespräch etwas zu klären helfen.
Als Ausdruck, dass der Wille zur Umkehr umgesetzt wird, nennt der Priester eine „Buße“.
(6) Die Lossprechung erfahren und mit Vertrauen aufnehmen.
Im Namen Gottes und der kirchlichen Gemeinschaft kann der Priester die Sünden vergeben:
ICH SPRECHE DICH/SIE LOS VON DEINEN/IHREN SÜNDEN UND VON DER SCHULD + IM NAMEN DES VATERS UND DES SOHNES UND DES HL. GEISTES. – Während der Priester losspricht, das Kreuzzeichen mitmachen und dann antworten: AMEN
Priester: GOTT HAT DIR/IHNEN DEINE/IHRE SÜNDEN VERGEBEN. GEHE HIN IN FRIEDEN. Die Antwort: DANK SEI GOTT!
(7) Versöhnt und mit dem inneren Frieden gehen und im Alltag weiter umsetzen. Wenn Gott so ausdrücklich verziehen hat und uns im Sakrament (durch den Priester) die Vergebung ausgesprochen wird, dann soll ich selbst auch mit mir „versöhnt sein“ und Vergangenes vergangen sein lassen.
(8) Im Evangelium vom barmherzigen Vater und der Heimkehr des verlorenen Sohnes wird berichtet, wie der Vater für seinen Sohn ein Festmahl bereiten ließ. Sinnvoll und entsprechend ist, wenn nach dem Empfang und der Feier des Sakramentes der Versöhnung die Freude über die Vergebung „gefeiert“ wird, etwa indem man sich eine kleine Freude gönnt oder jemanden Anteil nehmen lässt.
(Reinhold Ettel SJ, Ehe- und Familienpastoral, Sakramentenpastoral – April 2014)